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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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sind.«
    »Wir sind jene, die Ihre Freunde sein möchten, Zuhörer«, erwiderte die geschlechtslose Stimme glatt. »Ich trete an Sie heran, weil wir Sie für ungebunden halten. Wir glauben, dass Sie, Zuhörer, Ihren eigenen Kurs bestimmen können, unbeeinflusst von dem der anderen. Sie haben die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, sich von falschem Glauben und bedauernswerten Verleumdungen abzuwenden, die sich gegen jene richten, die helfen und nicht behindern wollen. Es führt sich selbst in die Irre, wer die Verleumdung anderer durch jene zulässt, die nur an ihre eigenen kleinen Interessen denken …«
    »Moment, lassen Sie mich raten. Sie gehören zu den Oct, nicht wahr?«
    »Ha!«, kam es aus dem Apparat, und es folgte eine neuerliche Pause. »Das wäre ein Irrtum, guter Zuhörer. Zweifellos halten Sie mich für einen Oct, weil Sie vielleicht den Eindruck gewonnen haben, dass ich Sie täusche. Das ist ein verständlicher Fehler, aber eben ein Fehler. Oh, die Lügen der Oct gehen tief, bis zum Kern. Hier gibt es viel zu klären und zu entwirren.«
    »Zeig dein Gesicht, Kreatur«, sagte Oramen. Sein Verdacht in Hinsicht auf die Identität des Wesens verdichtete sich immer mehr.
    »Manchmal müssen wir uns auf wichtige Treffen vorbereiten.
Wege müssen geglättet, Hindernisse überwunden werden. Eine direkte Annäherungsweise könnte Ablehnung zur Folge haben. Ein kurvenreicherer, sanfterer Kurs hingegen mag zwar weniger ehrlich und direkt erscheinen, führt aber schließlich zu Erfolg, gegenseitigem Verstehen und Belohnung.«
    »Zeig dein Gesicht, Geschöpf«, sagte Oramen. »Oder ich halte dich für ein Ungeheuer, das sich nicht zu zeigen wagt.«
    »Es gibt so viele Ebenen der Übersetzung, Zuhörer. Müssen wir wirklich annehmen, dass ein Gesicht notwendig ist, um ein moralisches Geschöpf zu sein? Ist das eine Regel, die die große Leere um uns herum durchdringt? Es gibt viele …«
    »Wenn du mir nicht sofort sagst, wer du bist, jage ich eine Kugel durch diesen Apparat, das schwöre ich!«
    »Zuhörer! Ich schwöre ebenfalls: Ich bin Ihr Freund. Wir alle! Es geht uns nur darum, Sie vor der Gefahr zu warnen …«
    »Leugne, dass du ein Aultridia bist!«, stieß Oramen hervor und sprang auf.
    »Warum sollte jemand leugnen, zu der missverstanden, verleumdeten Spezies zu gehören, die auf grausame Weise verunglimpft wurde …«
    Oramen richtete die Pistole auf das Weltmodell und senkte sie dann wieder. Der Schuss hätte Xessice entsetzt, und bestimmte wäre Neguste aus seinem Quartier herbeigelaufen gekommen und dabei über die eigenen Füße gestolpert. Vermutlich wären auch die in der Nähe untergebrachten Wächter geweckt worden.
    »… von denen, die uns unsere Bestimmung gestohlen haben! Zuhörer! Prinz! Wenden Sie keine Gewalt an! Ich bitte
Sie! Dies verkündet, wovor wir Sie warnen wollen. Es bestätigt unsere Sorge, dass …«
    Oramen sicherte die Waffe, nahm sie am Lauf und schmetterte ihren Griff auf die offen liegende Mitte des Weltmodells. Sie zerbrach, und Funken stoben. Kleine Splitter rutschten über den Schreibtisch, doch der trübe Schirm pulsierte noch immer in seltsamen Farben, und die Stimme erklang weiterhin, wenn auch gedämpft – sie trillerte vor sich hin, jetzt völlig unverständlich. Oramen schlug noch einmal zu. Es schien falsch zu sein, auf diese Weise mit dem Modell einer Schalenwelt umzugehen, etwas so Schönes zu zerstören, aber es war nicht so falsch, wie einem Aultridia Gelegenheit zu geben, zu einem zu sprechen. Er schauderte allein bei der Vorstellung und ließ die Waffe noch einmal auf das nach wie vor glühende Weltmodell hinabsausen. Wieder flogen Funken, eine Rauchwolke stieg auf, und dann war der Apparat endlich still und dunkel. Oramen wartete auf das Erscheinen von Xessice oder Neguste oder auf Geräusche von ihnen, aber es geschah nichts dergleichen. Nach einigen Momenten entzündete er eine Kerze, warf das zerschlagene Weltmodell in einen Abfallkorb und schüttete einen Krug Wasser über die Reste.
    Dann kehrte er zum Bett zurück und streckte sich neben der leise schnarchenden Xessice aus. Wach lag er da, wartete auf die Zeit fürs Frühstück und starrte in die Dunkelheit. Offenbar war es sogar noch notwendiger gewesen, die Deldeyn zu besiegen, als er angenommen hatte. Und er zweifelte nicht mehr am Massenselbstmord der Mönche, die sich selbst in den Wasserfall gestürzt hatten. In der Siedlung kursierte das Gerücht, dass es gar kein Selbstmord gewesen war.

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