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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmuth Santler
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wiederum habe es nach dem Tod Jesu geschafft, Jakobus auszuhebeln. Dieser Bruder Jesu, der die Jünger nach der Kreuzigung führte, sei für ein fundamentalistisches, radikales Christentum auf der Basis des Menschen Jesus eingestanden; Paulus aber verbreitete die frei erfundene Interpretation des Wangen hinhaltenden, liebenden und für uns arme Sünder leidenden Jesus. Paulus sei nämlich in Wahrheit ein Agent der Römer gewesen mit dem Auftrag, die langsam lästig werdende Christenbewegung auf raffinierte Weise zu unterwandern: Durch die Verbreitung einer neuen, pazifistischen Version des Christentums, die Rom akzeptieren könne.
    Dies alles wurde von dem bewährten Bestseller-Autorengespann reich ausgeschmückt, liest sich wie ein Krimi und wirkt auf den ersten Blick sehr überzeugend. Es ist auch nicht alles von der Hand zu weisen, was hier „offengelegt“ wurde – nur beinahe.
    Der Aufhänger der ganzen Story, die skandalöse Verzögerung bei der Veröffentlichung der Qumran-Funde, ist nicht einmal gut gelogen. Die „Rechnung“ der Autoren funktionierte folgendermaßen:
Zur Publikation der antiken Texte war die wissenschaftliche Buchreihe „Discoveries in the Judaean Desert (of Jordan) (DJD[J])“ vorgesehen, die auf 24 Bände angelegt worden war. Davon waren zum Zeitpunkt der Drucklegung der „Verschlusssache“ erst acht Bände erschienen, von denen sich allerdings zwei mit anderen Handschriftenfunden befassten. Blieben also sechs Qumran-Bücher – ein Viertel von 24. Da einer dieser sechs Bände aber recht schmal im Vergleich zu den anderen ausgefallen war, schien der Schluss erlaubt, dass sogar „weniger als fünfundzwanzig Prozent des gesamten Materials“ (Baigent, Leigh, S. 62) herausgegeben worden waren.
    Offensichtlich mit Kalkül verschleiert worden war der Umstand, dass die Reihe DJDJ nie für die Gesamtpublikation aller Qumran-Funde vorgesehen gewesen war; nach seriösen Schätzungen waren damals bereits mindestens 80 % des Gesamtmaterials einer (wissenschaftlich) interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, vom Staat Israel ediert worden oder in zahllosen Fachbeiträgen und Sonderdrucken verstreut erschienen.
    Lügen und Wahrheitskörnchen
    Das Fundament, auf dem der ganze Plot der „Verschlusssache“ aufbaute, entpuppte sich als bröckeliges Lügengebilde. Keine Verzögerung bei der Herausgabe bedeutete keine geheimnisvollen Machenschaften des Vatikan, um eben dies zu erreichen, keine Verschwörung und kein Wiederaufflammen der Inquisition.
    Freilich: Ohne ein Körnchen Wahrheit wäre die als Sachbuch verkaufte Fiktion vermutlich untergegangen. Denn auch das Fehlen von 20 % des Materials darf aus wissenschaftlicher Sicht nach 40 Jahren als handfester Skandal gewertet werden. Hinzu kommt, dass sich die mit der Textauswertung Beauftragten wie elitäre Gralshüter verhielten und quasi erst mit dem Messer an der Gurgel bereit waren, Einsichten zu gewähren – wenn überhaupt. Wie Klaus Berger, Professor für Neues Testament an der Universität Heidelberg, erging es zahllosen Kollegen:
    Bereits 1979, als ich das Jubiläenbuch, eine der nachkanonischen Schriften des Judentums, für das umfangreiche Zeugnisse in Höhlen von Qumran existierten, neu übersetzen und kommentieren musste, hatte ich mich im Abstand von je zwei Monaten dreimal an J. T. Milik (Paris), den zeitweiligen „Besitzer“ vieler der restlichen Qumrantexte mit der Bitte um kollegiale Hilfe gewandt. Bis heute kam keine Antwort. Und man hat den Eindruck, dass es allen so erging, die nicht zum engeren Zirkel der „Gralshüter“ gehören. Diese sitzen buchstäblich auf ihren Fragmenten, von denen sie nur der Tod scheiden wird. (Klaus Berger, Qumran und Jesus. Wahrheit unter Verschluss? S. 15.)
    Mit Erscheinen der „Verschlusssache“, aus welch niederen Motiven das Buch auch verfasst worden sein mochte, kam jedenfalls rasante Bewegung in die Sache: Der Unmut der interessierten Wissenschaftler, die es nicht in den Kreis der Auserwählten geschafft hatten, hatte ein wahrlich kritisches Ausmaß angenommen. Dazu das öffentliche Aufsehen um die „Dead Sea Scrolls Deception“, wie das Baigent-Leigh-Buch im englischen Original betitelt worden war (etwa: Der Betrug mit den Schriftrollen vom Toten Meer; das Buch hatte auch wirklich wenig bis gar nichts mit Jesus zu tun).
Die "Verschlusssache Jesus" brachte Bewegung in die Angelegenheit
    Kurz und gut: Das Jahr war noch nicht zu Ende, die „Verschlusssache“ gerade mal

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