Die Verschworenen
Aber es sind zu dieser frühen Stunde tatsächlich kaum Menschen unterwegs und die wenigen achten nicht auf mich.
Je weiter ich mich der Kuppel nähere, desto klarer wird, dass ich nicht die Einzige bin, die draußen etwas erledigen möchte. Aus einem Seitengang stoßen zwei plaudernde Küchenhilfen zu mir und überholen mich grußlos. Eine trägt Fleisch- und Brotreste in einem Plastikkorb bei sich, die andere einen Sack mit den harten, sauren Äpfeln, die ich als Kind so gehasst habe. Die beiden unterhalten sich blendend, und zwar über einen der Köche, den sie süß finden.
Ich folge ihnen mit gebührendem Abstand. Sie werden mich zur Lücke im Sicherheitssystem führen, durch die man nach draußen und später wieder hinein schlüpfen kann, daran besteht kein Zweifel.
Und dann stellt sich heraus, dass es gar keine Lücke gibt, nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe: Die beiden Frauen steuern eine Schleuse an, eine von den kleinen, über die die Sentinel die Sphäre verlassen, wenn sie auf Patrouille gehen. Zwei von ihnen stehen dort Wache, es sind rote, aber sie halten die Frauen nicht auf. Im Gegenteil, sie winken sie lachend durch.
»Fisch wäre schön«, ruft ihnen einer der beiden nach.
Meine Schritte verlangsamen sich wie von selbst, je näher ich dem Ausgang komme. Schlecht. Ich sollte zuversichtlich wirken, auch wenn ich mit den Gepflogenheiten nicht vertraut bin.
»He! Du bist neu, oder?« Der größere der beiden Sentinel mustert mich wohlwollend. »Hab dich noch nie gesehen.«
Ich kichere ein bisschen, so wie die beiden Frauen vor mir es getan haben. »Na ja, so richtig neu bin ich nicht. Bin seit dem letzten Arbeiterwechsel hier.«
»Na eben. Neu. Sage ich doch.« Das Grinsen des Sentinel gewinnt an Breite. Die obersten zwei Knöpfe seiner Uniformjacke stehen offen, was ihm in der Sphäre Hoffnung jede Menge Strafdienste einbringen würde. »Was hast du denn mit, für die da draußen? Wo ist deine Tasche?«
Das kleine Paket steckt immer noch in meinem Hosenbund, meine Hände sind leer. Letzteres scheint nicht üblich zu sein. »Ich bringe nichts nach draußen.« Ich lächle vieldeutig. »Ich treffe nur jemanden.«
»Oh.« Der Sentinel schlägt sich mit einer Hand gegen die Brust und tut so, als würden seine Knie nachgeben. »Sag jetzt nicht, du hast etwas mit einem Prim, meine Süße. Das würde ich nicht ertragen!«
Ich kichere wieder mal und zwinkere ein bisschen. »Nein. Nein, so würde ich das nicht nennen.«
»Na, da bin ich ja froh.« Er winkt mich durch, doch als ich an ihm vorbeiwill, streckt er einen Arm aus und zieht mich an sich. »Mhm, riechst du gut!«
Ich habe ausreichend Selbstverteidigung gelernt, um ihn mit zwei gezielten Tritten zu Boden zu schicken, und mein erster Impuls ist es, genau das zu tun. Stattdessen lache ich laut auf und nehme ihn am Kinn, ein bisschen zu fest vielleicht. »Dafür würde dir eine Dusche gar nicht schaden, Herzchen.«
Wieder tut er so, als würden meine Worte ihn bis ins Mark treffen. »Wie kannst du das sagen? Ich schwitze doch nur, weil ich mit aller Kraft diese Sphäre beschütze! Außerdem … wenn du dich mit Prims abgibst, musst du ganz andere Gerüche aushalten.«
Ich lache, als hätte er einen großartigen Witz gemacht, und schlängle mich an ihm vorbei nach draußen.
Die Luft ist kühl, aber nicht so sehr, dass sich weißer Nebel vor meinem Mund bilden würde – dabei steht die Sonne noch ziemlich tief am Himmel. Es wird ein schöner Tag werden, keine Frage. Vielleicht finde ich später ein ruhiges Fleckchen in einer der Kuppeln, wo ich mich hinsetzen, das Gesicht nach oben in den Sonnenschein halten und mir einbilden kann, ich wäre im Freien.
Der kleine Wall, den Krunno mir gezeigt hat – dahinter gehe ich am Ruhetag manchmal spazieren –, liegt etwa zweihundert Meter entfernt und es tummeln sich eine Menge Menschen rundherum. Sphärenbewohner, Clanleute, sogar Sentinel. Ich bleibe einen Moment stehen und lasse den Eindruck auf mich wirken.
Die Verständigung funktioniert. Keiner fürchtet sich vor dem anderen, die Stimmung ist gelöst und fröhlich. Natürlich sind das hier keine Clankrieger, sondern hauptsächlich Grenzgänger, die sich so nah an die Sphären wagen, trotzdem stimmt mich das Bild hoffnungsvoll. Es sieht wie ein Anfang aus.
Krunno entdecke ich erst nach einiger Zeit, als er sich aus einer kleinen Gruppe löst, in der offenbar diskutiert oder verhandelt wird, der Lautstärke und dem Tonfall nach zu
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