Die Zeugin: Thriller (German Edition)
gesagt, sie arbeiten für Grigor Mirkovic.«
»Was wollten sie?«
Mit hängender Zunge trottete Chiba herüber und schmiegte sich an Rory. Ein echter Wachhund. Rory richtete sich auf. »Warum sind Sie hier?«
Xavier war frisch verpackt für die Frühschicht. Marineblauer Hosenanzug, mattgraue Sonnenbrille. Die Waffe an ihrer Hüfte hatte die Farbe eines Hais. »Wollen Sie mir nicht sagen, was los ist?«
Rory hatte gestern ihr Recht auf Beistand durch einen Anwalt in Anspruch genommen. Xavier hätte also gar nicht hier sein und ihr Fragen stellen dürfen. Und wenn Rory mit ihr redete, konnte Xavier behaupten, dass sie auf ihr Recht verzichtet hatte. Doch zu schweigen hätte die Sache nur schlimmer gemacht. »Der Suburban kam plötzlich angefahren, und ein Typ ist rausgesprungen. Hat gesagt, dass Grigor Mirkovic mir eine Frage stellen möchte. Er wollte wissen, ob ich von der Polizeigewerkschaft bezahlt werde. Ich habe nicht geantwortet, bin einfach weggerannt.«
Xavier steckte das Funkgerät weg.
»Woher weiß er meinen Namen?«, fuhr Rory fort. »Wie hat er rausgefunden, wo ich wohne?«
»Vielleicht haben Sie es ihm gesagt.«
»Bitte nicht.« Rory versuchte, ruhig zu bleiben, doch das Schneidende in ihrer Stimme konnte ihr nicht entgehen. »Wenn er mich aufgespürt hat, dann hat er vielleicht auch andere Geschworene entdeckt. Oder die Familie von Judge Wieland oder von Cary Oberlin.«
Xavier schien kurz zu überlegen, ob sie nachsetzen sollte, um ihren Vorteil gegen eine völlig aufgelöste Frau zu nutzen. »Wurden Sie bedroht?«
»Jedenfalls waren die Kerle nicht hier, um Happy-Hour- Gutscheine in Briefkästen zu werfen. Sie haben gesagt, dass niemand Grigor Mirkovic ignoriert. Als ich weglief, haben sie mir versprochen, mir bis nach Nevada nachzujagen.«
»Ihnen ist doch klar, wie es ausgesehen hat.«
Rory hatte keine Lust auf dieses Spiel. »Raus damit, Detective.«
»Als hätten Sie wieder mal eine angespannte Unterhaltung mit schweren Jungs geführt.«
»Das war keine Unterhaltung. Sie sind mir gefolgt. Sie haben mich eingeschüchtert. Ich kenne sie nicht. Ich habe noch nie mit Grigor Mirkovic geredet, ihm geschrieben oder ihn angespuckt. Meine Güte, wenn Sie nicht unterscheiden können zwischen einer verängstigten Zeugin und einer Komplizin, dann ist Ihnen nicht zu helfen.«
Xaviers Blick durch die Sonnenbrille blieb unergründlich.
Diese Bullen. Müssen sich immer hinter getöntem Glas verstecken. Zum Kotzen.
»Stimmt es, dass Sie einen meiner Kollegen gestern als Arschloch beschimpft haben?«
Rory ließ die Schultern sinken.
»Haben Sie ein Problem mit Polizisten? Das Gericht fände das bestimmt interessant.«
»Nein, ich hab kein Problem mit Polizisten.«
»Bloß mit Detectives?«
»Wie bitte?«
»Die Leute erinnern sich noch, dass Sie früher mit Seth Colder zusammen waren.«
Die kühle Luft prickelte auf Rorys Gesicht. »Schön für sie.«
»Interessant, dass Sie beide um die gleiche Zeit aus der Stadt abgehauen sind.«
Hätte sie nach dem Autounfall vielleicht bleiben sollen? »Eine Trennung ist kein Anlass für einen Triumphzug. Man fährt einfach weg, ohne sich zuzuwinken.« Ihre Stimme war kühl, doch ihr wurde heiß, als hätte in ihr jemand einen Wasserkessel aufgesetzt.
Xavier wirkte nachdenklich. »Seltsam, dass er nicht zurückgekommen ist.«
Dazu fielen Rory eine Million Dinge ein, doch nichts, was sie mit dieser Frau besprechen wollte. Und eine Frage, die sie nicht zu stellen wagte: Was ist mit ihm passiert?
»Hat Ihnen Colder je verraten, warum er die Polizei verlassen hat? Einige Leute bei der Truppe warten nämlich noch immer auf eine Erklärung.«
»Ich habe auf der anderen Seite des Erdballs gearbeitet, als er gekündigt hat. Hab es nur von Dritten erfahren. Mit ihm selbst habe ich nicht darüber geredet.« Was sollten überhaupt diese Fragen nach Seth? Wollte Xavier sie provozieren? »Warum sind Sie hergekommen?«
»Um Ihnen einen kleinen Tipp zu geben. Unter uns Alteingesessenen. Detective Zelinski hat Anträge gestellt. Auf einen Durchsuchungsbeschluss für das Anwesen, in dem Sie wohnen, und auf einen Haftbefehl gegen Sie wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zum Mord.«
Rory erstarrte zur Salzsäule. In ihr zerbarst der Wasserkessel in tausend Scherben. Das Ding aus einer anderen Welt. In einem Horrorfilm wäre Xavier jetzt in Stücke gerissen worden. »Dafür hat er keinen hinreichenden Verdacht.«
»Im Gericht herrscht
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