Ein Elefant im Mückenland
und bewegt sich wie eine Schlange, ist aber nicht giftig.
Lucia und Paavo aßen Butterbrote und fütterten Emilia mit zwei Metzen Kartoffeln, die Kaarina extra für sie abgekocht hatte. Dann zogen sie weiter.
Die Hunde in den kleinen Dörfern machten stets ziemlichen Lärm, wenn sich die Reisenden näherten. Sie waren nicht an Elefanten gewöhnt. Emilia trompetete dann zur Warnung, und das Gekläff verstummte, die Köter verzogen sich still in ihre Hütten. Aus den dunk-len Öffnungen funkelten gelb glühende Augen, aber die schwarzen Schnauzen glänzten feucht vor Angst.
In der Nähe von Sääksjärvi wollten sich Lucia und Paavo tagsüber ausruhen, aber daraus wurde nichts. Sie begegneten zufällig einem kleinen streunenden Hund, der eine interessante Mischung aus einem Rau-haardackel, einem Terrier und einem Spitz war. Es war ein genetischer Hundecocktail mit kräftigem Vorge-schmack und nachhaltiger Wirkung. Als der Köter den gemächlich durch die Felder trottenden Elefanten und die beiden Reiter auf seinem Rücken entdeckte, zögerte er keinen Moment, Emilia zum Zweikampf herauszufor-dern.
Schon von weitem fing er an zu kläffen. Das arme Tier begriff nicht, dass die drei in friedlicher Mission nach Lappeenranta unterwegs waren, sondern betrachtete es als seine Pflicht, sie anzuhalten. Als das laute Gekläff nicht wirkte, schnappte er mit gefletschten Zähnen nach Emilias Schwanz, der über den Boden schleifte – seine Kiefer waren zu klein, um nach den dicken Beinen zu greifen. Auch weniger versetzt einen Elefanten in Zorn. Emilia trompetete ungehalten und hob den Rüssel gen Himmel, auf diese Weise versuchte sie den Störenfried abzuschütteln.
Der Köter gab nicht auf. Er hatte das tausendjährige Naturell eines Wolfes und einen im harten Dasein ge-stählten Kampfeswillen. Er umschwirrte Emilia wie eine Hornisse, zog an ihrem Schwanz und versuchte sogar nach dem Euter zu schnappen. Das war zuviel für Emi-lia, sie ging durch.
Dumpf brüllend näherte sie sich dem frechen Angrei-fer. Der Köter musste flüchten, so schnell ihn seine Pfoten trugen. Emilia folgte in gleichmäßigem Trab, das Tempo wurde schneller, die ganze Gegend bebte. Die kleine Töle war flink und flüchtete in den Wald, Emilia folgte. Fichtenzweige schlugen Lucia und Paavo ins Gesicht. Der Baldachin löste sich knirschend aus den Ecken des Sattels. Lucia rief Paavo zu:
»Gib mir die Hand, wir springen!«
Mit kräftigem Druck stieß die Zirkusprimadonna den Bauern vom Rücken des durchgehenden Elefanten und brachte ihn und sich so in Sicherheit. Im Wald knackte und krachte es, der Hund kläffte und Emilia brüllte, aber bald wurden die Stimmen leiser und verstummten schließlich ganz.
Lucia und Paavo gingen auf demselben Weg zurück, rollten den Baldachin auf und konnten sich nicht genug wundern, dass sie am Leben geblieben waren.
Paavo rief zu Hause an, und Kaarina meldete sich. »Emilia ist ausgerissen.«
Paavo erzählte kurz, was passiert war, und meinte, dass er bei der Suche wohl Hilfe benötigte. Sollte er vielleicht die Polizei oder die Feuerwehr alarmieren?
Kaarina legte den Finger auf die Lippen und sah den neben ihr sitzenden Spritzmeister an. Sie flüsterte ihm zu, dass der Elefant ausgerissen war und die Gefahr bestand, dass Paavo jeden Moment wieder zu Hause auftauchte. Ins Telefon sagte sie:
»Sei unbesorgt, Emilia wird sich bald wieder beruhi-gen. Die Feuerwehr anzurufen ist auf jeden Fall zweck-los, im Lokalsender wurde berichtet, dass die draußen im See eine Übung durchführt – im Bergen von Leichen aus dem Wasser.«
Lucia und Paavo folgten dem Pfad, den Emilia in den Wald getrampelt hatte, die Spuren waren deutlich zu erkennen. Sie trugen den Baldachin auf der Schulter, weiteres Gepäck hatten sie nicht, denn die ganze Aus-rüstung und der Proviant befanden sich auf Emilias Sattel und in den Seitentaschen. Lucia rief nach der Gefährtin, bekam aber keine Antwort. Nach zehn Minu-ten war wieder das scharfe Gebell des Hundes zu hören. Die beiden gingen der Stimme nach und gelangten auf einen freien Platz, auf dem ein stattliches Bauernhaus stand, auf dem Hof befand sich ein Erdkeller mit Torf-dach.
Der Köter tobte wild um Emilia herum, schnappte nach ihrem Rüssel und zog sie am Schwanz. Sie konnte nichts ausrichten, sie war wie gelähmt in ihrer Wut und Phobie. Elefanten haben einen Horror vor kleinen teufli-schen Wesen, Mäuse und Ratten jagen ihnen mehr Angst und Schrecken ein als Löwen. Lucia
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