Ein gutes Herz (German Edition)
anzumerken, dass er sich nur ungern erinnerte. »Ich habe den Namen seit Jahren nicht mehr gehört. Mir ist ein Kicham Ouaziz bekannt. Er wurde wegen Doppelmordes zu achtzehn Jahren Haft verurteilt. Illegaler Waffenbesitz. Natürlich sagt mir der Name etwas. Und dieser Sallie ist mit Kicham Ouaziz verwandt? Sein Sohn?«
»Sallie ist der Sohn von Kicham«, bestätigte Donner. »Ich wollte dich darüber informieren, dass wir diese Sache verfolgen werden. Kicham Ouaziz, der Vater, ist von dem Ganzen völlig überrumpelt. Hat nichts damit zu tun. Fühlt sich aber indirekt verantwortlich. Sein Sohn ist ohne ihn aufgewachsen. Er konnte nicht korrigierend eingreifen, konnte seinem Sohn nicht klarmachen, was Recht und was Unrecht ist. Dürfte ihm im Übrigen auch schwergefallen sein, da er ja selbst die Verbrecherlaufbahn eingeschlagen hat. Sein Sohn wäre vielleicht in seine Fußstapfen getreten, aber ich weiß nicht, ob das schlimmer gewesen wäre, wenn man bedenkt, dass er jetzt ein Terrorist geworden ist. Wohl eher nicht. Wir haben Ouaziz den Rest seiner Strafe erlassen. Er wäre ohnehin vorzeitig entlassen worden, denn er ist schwer krank. Die Flugzeugentführer haben seine Freilassung gefordert. Komisches Duo, Mohamed Boujeri und Kicham Ouaziz. Aber das hat uns auf die Fährte der Fußballer gebracht. Insofern war es für uns ein Glücksfall, dass sie die Freilassung von Ouaziz gefordert haben, soweit man unter diesen Umständen überhaupt von so etwas reden kann. Das war unbesonnen von ihnen. Sie hätten vorhersehen müssen, dass wir uns sofort fragen würden, warum wir ausgerechnet diese beiden freilassen sollen. Ouaziz ist nicht gläubig. Er erzählte mir, dass er sich nicht als Marokkaner oder als Muslim fühlt, sondern als traditioneller Berber. Was immer das auch sein mag. Ouaziz haben wir zu Hause bei seiner Frau in Amsterdam-West abgeliefert. Von dort ist er jetzt wieder weg, dazu gleich mehr. Wir überwachen Ouaziz. Wir haben drei Teams à drei Mann in seiner Nähe. Und im Zuge dessen stellten wir fest, dass sein ehemaliger Boss und Gönner plötzlich in der Stadt aufgetaucht ist. Hat sich im Amstel Hotel eine Suite genommen. In Schiphol wurden in den vergangenen Jahren die verschiedensten Computersysteme eingesetzt, eines katastrophaler als das andere, und keine einzige Alarmglocke hat geschrillt. Wir hatten eine Abmachung mit ihm. Die hast du damals geschlossen. Er ist wieder da. Nach mehr als zehn Jahren in den USA .«
Cohen reagierte nicht. Er sah Donner nicht an. Dachte mit gesenktem Blick nach. Dann fragte er fast atemlos: »Wann ist er angekommen?«
»Gestern. Direkt aus Los Angeles. Wir haben sofort die Überwachung eingeleitet, als wir das feststellten. Er hat das Amstel Hotel gegen halb neun heute Abend betreten. Hat auf seinem Zimmer gegessen. Wir wissen auch, was. Keine Anrufe, aber vielleicht hat er ein unbekanntes Handy. Wir haben keine Ahnung, warum er in der Stadt ist und Probleme mit uns riskiert.«
»Denkst du, dass er…?«
»Nein. Auf keinen Fall. Aber er hat Einfluss auf Ouaziz. Sie haben sich seit 2001 nicht mehr gesehen. Die Familie von Ouaziz konnte dank eines großzügigen Geldgebers überleben. Irgendjemand hat Frau und Kindern unter die Arme gegriffen. Das dürfte dein Mann gewesen sein. Ich verstehe, dass deine Jungs vom regionalen Nachrichtendienst davon wussten, aber nie eingegriffen haben, weil es da Abmachungen gab. Das verstehe ich. Finde ich völlig vertretbar. Solange wir das geheim halten können. Sollte das nicht gelingen, werde ich es aber wohl nicht mehr verteidigen können. Das sind Dilemmas, vor die uns dein Mann stellt.«
»Ja, mein Mann «, wiederholte Cohen resigniert. »Was will er hier? Nach so vielen Jahren?«
»Wir wissen es nicht. Würden es aber gerne wissen. Wir schicken Ouaziz zu ihm. Den können wir jetzt am Gängelband führen. Ouaziz will seinen Sohn aus diesem Flugzeug herausholen. Er will an Bord gehen. Mit Unterstützung deines Freundes wäre das nicht unmöglich. Ist ein charismatischer Mann, soweit ich verstanden habe. Sallie weiß natürlich, dass seine Mutter dank deines Mannes all die Jahre die Miete bezahlen und Einkäufe machen konnte. Er trug Nikes – so heißen diese Turnschuhe doch, oder? –, die dein Mann finanziert hat. Wir glauben, dass er für diese Jungen Immunität besitzt. Und Sallies Vater natürlich ebenfalls. Zwei Vertreter des Anti-Establishments. Keine rückgratlosen Multikultis, sondern gewissermaßen Rebellen gegen
Weitere Kostenlose Bücher