Ein Pirat zum Verlieben
eisiger Schauer jagte ihr über den Rücken.
Auf dem behäbigen Stuhl vor ihr stand der wahre Grund, warum sie hier, in diesem Jahrhundert, gelandet war.
27
Das Porträt. Das Bild, das sie im Rothmere-Haus gesehen hatte, in der Nacht, als sie die Diamanten gestohlen hatte. Und die Frau in Grün war sie selbst!
»Es ist wundervoll, Ramsey!«, rief Dane, dem ihre Reaktion nicht aufgefallen war. »Die Ähnlichkeit ist erstaunlich.« Die anderen rutschten auf ihren Stühlen herum und verrenkten die Hälse, um mehr sehen zu können.
Tess trat wie in Trance näher und streckte eine Hand aus.
»Nicht, Tess«, sagte Ramsey und hielt sie sanft davon ab, das Bild zu berühren. »Es ist noch feucht.«
Ihr Arm sank langsam nach unten, während ihre Augen wie gebannt an dem Porträt hingen. Sie hatte es völlig vergessen.
»Ich glaube, wir erleben eine Premiere, meine Herren«, wandte sich Ramsey lachend an die übrigen. »Die Dame ist sprachlos.«
Keine Reaktion von Tess.
Dane und Ramsey wechselten erstaunte Blicke.
»Tess?«
Danes Hand berührte ihre Schulter. Sie schrak heftig zusammen und fuhr herum. Mit ihren großen, starren Augen, die direkt durch ihn hindurch sahen, erinnerte sie an ein verschrecktes Tier. Dann wurde ihr Blick langsam klarer, ihre Züge weicher, und sie schien wieder bei ihm zu sein.
Dane sah von ihr zu den anderen, sagte: »Was hast du, mein Liebes?«, und zog sie behutsam aus der Hörweite der anderen.
»Ich habe dieses Bild schon einmal gesehen, Dane.« Sie klammerte sich an seinen Oberarm. »In meiner Zeit. In der Nacht, als ich die Diamanten mitgehen ließ.«
Danes Haut prickelte vor Kälte, und seine Gesichtszüge verkrampften sich. Sein Blick schoss zu dem Bild, als wollte er hinter die dicken Ölschichten schauen, dann zu Tess und noch einmal zur Leinwand. Seine Augen wurden scharf und schmal; Tess sah förmlich, wie sich die Fakten in seinem Kopf zu einem Bild zusammenfügten. Als er wieder zu ihr sah, erhellte ein strahlendes Lächeln sein Gesicht.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass es dir bestimmt war, hier zu sein?«, wisperte er, während er einen Arm um sie legte und ihre weichen Kurven an seinen Körper presste.
»Das klingt verdächtig nach ›Ich hab’s ja gesagt‹.« Er zog langsam eine schwarze Augenbraue hoch, und seine hellen Augen schienen zu sagen: »Wehe, du widersprichst mir!« Gott, er war die verkörperte männliche Arroganz! Tess zog es vor, ihn zu ignorieren. »Weißt du, ich war damals genauso geschockt.« Sie strich über den Stoff, der seine Arme bedeckte, und fragte sich, wie ein Geschenk von Ramsey an Dane in die Hände eines Blödmanns wie Phalon Rothmere gelangen konnte. »Das –«, sie zeigte mit dem Kopf auf das Bild, »– ist der einzige Grund, warum ich gesehen wurde und weglaufen musste.«
»Zu mir.« Sein Lächeln wurde breiter.
Sie stieß einen gespielt müden Seufzer aus. »Denk doch, was du willst, Blackwell.«
»Lass dir gesagt sein, Blackwell, dass ich das immer tue.« Er küsste sie hart auf den Mund, schnell und sehr besitzergreifend, und hob dann den Blick. »Danke, Ram«, sagte er aufrichtig. »Du hast mir ein Geschenk gemacht, das ich immer in Ehren halten werde.«
»Es war mir ein Vergnügen.« Ramsey verbeugte sich leicht vor seinem Freund.
Tess drehte sich in Danes Armen um und lehnte sich an ihren Ehemann. »Danke, Ramsey.« Sie betrachtete das Porträt. Es hatte eine sinnliche Ausstrahlung, weich und geheimnisvoll. Ihr Kleid schmiegte sich im Wind an ihren Körper, und der leichte Dunstschleier der See wehte um ihre bloßen Füße. »Abgesehen davon, dass ich mich wirklich geschmeichelt fühle, ist dieses Bild für mich von großer …« Ihr Blick fiel auf die Signatur. »Sie haben es gemalt?«, platzte sie ungläubig heraus.
»Ich fühle mich gekränkt, Tess«, sagte er, während er seine Jacke zurechtzog und mit beleidigter Miene sein Kinn hob. »Ihr Ton könnte einen zu der Annahme verleiten, Sie wären der Meinung, alle meine Talente lägen in …«
»Ihrer Hose«, beendete sie den Satz mit einem frechen Grinsen. Das Lachen der Männer dröhnte durch die Küche.
»Ah, die scharfe Zunge einer Ehefrau«, gluckste Ramsey. Er lehnte sich an die Tischkante und verschränkte die Arme. »Ein Glück, dass du es bist, der die meisten ihrer Spitzen erdulden muss, Dane, und nicht ich.« Sein Lächeln war traurig und ein wenig neidisch, und was er auch sagte, seine Augen verrieten, was in ihm vorging. Dane kannte diese
Weitere Kostenlose Bücher