Euro Psycho
sie Richtung Küche geht. Kein Schwabbel. Kein einziges Fältchen. Diese neue Verkäuferin sieht aus, als ob sie nicht einfach nur geboren, sondern gegossen worden ist. Genau mein Typ. Und in diesem Moment bin ich glücklich. Soll ich also im Couscous bleiben? Lifestylemäßig jedenfalls könnten die Dinge nicht prächtiger laufen.
Eine Viertelmillion pro Woche.
Ein wachsender Stall williger Pferdchen.
Und im Training läuft’s gut mit meinem revolutionär neuen Spielstil.
Ich lege mich hin, sehe an die Decke meiner Belle-Époque-Wohnung, höre, wie die Verkäuferin das Radio anstellt und Kaffee macht.
Will ich wirklich bleiben, weiter von Aperitif zu Aperitif schlendern und im Bett knallhart zur Sache gehen?
Mir ist bewusst, dass die neue Gas-Knete dieses einst beschissene und von Scham überwucherte Land aufpumpt: Bessere Restaurants und Bordelle eröffnen, bessere Autos und bessere Frisuren drängen raus auf die Straßen. Diese Stadt wird ein Lifestyle-Zentrum, mit mir als Mittelpunkt, den Schwanz in jedem Törtchen, und Zentimeter um Zentimeter rücke ich auch näher an Ikas königliches Döschen heran.
Ja, vielleicht könnte ich es schaffen: Den sehnlichen Traum, meinen Namen wiederherzustellen, einfach aufgeben, die Nationalmannschaft und die Premier League … Aber dann höre ich sie, die Sportnachrichten im Küchenradio.
»Sgvrupyern ochzen England«, höre ich. »Prupzny Rooney Hat-trick. Dvdnerch Euro 2012.«
Und meine Zufriedenheit schrumpft, erlischt.
Weil man kein Robotersprachgenie wie R2-D2 sein muss, um das zu verstehen.
Rooney-Hattrick für England in einem Qualifikationsspiel. Das haben die in den Sportnachrichten gerade gesagt. Und scheiße. Ich habe vergessen, wer ich bin. Ich kann hier nicht bleiben.
Weil ein stechender Schmerz immer in mir sein würde. Egal, wie viele Weißweinschorlen ich im Freien runtergekippt, wie viele Kopfsteinpflasterplätze ich für Kev-Sex aufgesucht hätte, daheim wäre mein Name immer noch mit Dreck beschmutzt. Die anständige, ordentliche Wichs-Zwischenmahlzeit im Clapham-Bus würde denken, dass ich korrupt bin, würde denken – wenn sie überhaupt jemals über mich nachgedacht hat –, dass ich hier draußen im Couscous gewesen bin und meinen Schwanz habe hängen lassen.
Was ich nicht getan habe.
Ich liege ratlos hier herum, schlecht drauf, höre mein Handy klingeln, steige aus dem Bett, lange in meine Hose, hole das Vertu raus. Eine SMS von einer unbekannten Nummer.
Welcher Normalo-Pisspott hat sich denn diesmal meine Nummer besorgt? Ich lese die SMS . Und was sehe ich, verdammte Scheiße? Die SMS ist von einem anonymen Freund . Das behauptet zumindest jemand. Und in der SMS ist eine gewisse Adresse angegeben. Ich starre auf mein Handy, ringe mit mir, nage an meinen Fingerknöcheln.
Wer ist dieser Freund? Was wissen die, und woher wissen sie es?
Kann ich ihnen trauen?
Aber: Habe ich eine Wahl? Denn wenn ich meine Rache will, wenn ich den Beweis will, um dann die Zeit zu bekommen, mich den Three Lions für die Euro wieder anzuschließen, dann muss ich eine Schippe drauflegen … Also vielleicht. Nur vielleicht … Ich ziehe mir irgendeine Klamotte an, betrachte mich in dem vergoldeten Kaminsims-Spiegel aus dem 19. Jahrhundert.
Ist es krank, wenn du dich selbst ficken willst?
Ich überlasse das euch, weil jetzt andere Dinge von Belang sind. Dieses englandförmige Loch in meinem Herzen zum Beispiel, das gerade jetzt besonders schmerzt. Insbesondere die knollige Ranke aus Cornwall.
Die Verkäuferin kommt aus der Küche zurück, sieht mich angezogen zur Tür gehen.
»Wohin willst du?«, fragt sie, ihre Augen werden größer, aber ihre gebotoxte, flache Stirn bleibt statisch wie Plastilin.
»Einfach raus«, sage ich nur.
»Aber, das kannst du nicht«, sagt sie. »Nicht heute Nacht. Das ist zu gefährlich.«
Sie hat recht. Dieser kranke Killerfan-Kram ist auf dem Höhepunkt, vielleicht ist es zu gefährlich, heute Nacht draußen zu sein … Andererseits: Ich kann auf mich selbst aufpassen, und ich werde den Kopf einziehen, schnell und wachsam sein. Ich bin entschlossen. Ich traue dem Freund. Ich verlasse das Schlafzimmer, gehe die illuminierten Stufen hinab und erreiche die Eingangshalle, wo ich meine GTV -300-Vie-della-Moda-Vespa abgestellt habe.
Ja, ein Moped. Beruhigt euch.
Das ist der beschissene Kontinent.
Ich drehe den Schlüssel um und schleudere das rossochianti-farbene Moped mit rückwärtigem Chrom-Gepäckständer quer durch die
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