Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Schwarzborn«, verkündete er. »Im Grunde bloß ein Fischerdorf, aber sie haben ein ganz brauchbares Bordell mit ein paar unermüdlichen Damen, die unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen. Ein oder zwei Tage zur Erholung, und wir machen uns wieder auf den Weg.«
Declan sah Cayal neugierig an. Er hatte gedacht, nur er selbst sei kurz vorm Explodieren von den Nachwehen dieser ausgedehnten Reise in den Gezeiten.
Cayal erriet anscheinend, was ihm durch den Kopf ging. »Was ist, hast du geglaubt, das wird mit der Zeit besser?« Er schüttelte den Kopf. »Es wird vorhersehbar, Ratz. Es wird sogar irgendwie erduldbar. Aber bessern tut sich das nie.«
»Nicht mal, wenn man so alt ist wie er?«, fragte Declan mit einem Nicken in Richtung Kentravyon. Der ältere – vielleicht um Jahrmillionen ältere – Gezeitenfürst hatte sich auf dem feuchten Teppich ausgestreckt. Er hatte seine nassen Klamotten abgelegt, lag nackt auf dem Rücken und schien zu schlafen. Zwar hätte er mithilfe der Gezeiten seine Kleidung und sich selbst ohne Weiteres trocknen können, aber Declan hatte den Eindruck, dass Kentravyon absichtlich die Weite des Ozeans in sich aufsog, wohl eine Art Kompensation für die lange Gefangenschaft im Eis.
»Er ist verrückt, also weiß ich nicht, ob seine Ansicht zählt.«
»Und Lukys?«
Cayal zuckte die Achseln. »Na was denn? Glaubst du im Ernst, dass er loszieht und sich eine quirlige junge Frau sucht, bloß weil sie gut kochen kann?«
Declan runzelte die Stirn. »Gezeiten, ich dachte immer, ihr seid alle auf die Weltherrschaft aus, aber allmählich glaube ich, dass ihr nur flachgelegt werden wollt.«
»Ist das nicht eine Enttäuschung?« Cayal wirkte amüsiert. »Hast du dich nie gefragt, wie Syrolee und ihre Bande in diesen Zirkus hineingeraten sind? Wir Unsterblichen bringen seit jeher verdammt viel Zeit in Bordellen zu, Ratz. Unterm Strich sind wir nämlich ausgesprochen lasterhafte Geschöpfe.«
»Das weiß ich seit Langem.«
Cayal schmunzelte über sein Dilemma. »Und trotzdem bist du jetzt hier – bist einer von uns, reitest die Gezeiten, als hättest du dein Lebtag nichts anderes gemacht, und implodierst gleich vor Ekstase. Da hast du aber noch einen langen Weg vor dir, du ahnungsloser Schwachkopf. Viel Spaß bei dem Versuch, deine spießigen sterblichen Bedenken und Skrupel mit den Rahmenbedingungen deiner Unsterblichkeit in Einklang zu bringen.«
»Ich nehme an, du hattest überhaupt keine Anpassungsschwierigkeiten, als du unsterblich wurdest.«
»Ich hab eine Zeit lang viel darüber gebrütet, ob mein Schicksal irgendeinen tieferen Sinn haben könnte. Aber ich hab mich nie der Illusion hingegeben, dass ich persönlich besonders tugendhaft wäre«, sagte Cayal und wälzte sich in eine bequemere Lage. »Gezeiten, als ich unsterblich wurde, hatte ich bereits meinen besten Freund umgelegt, war enteignet und verbannt worden und hatte alles verloren, was ich je besaß oder liebte.« Der unsterbliche Prinz legte den Kopf zur Seite und blickte Declan an. »Klingt ähnlich wie deine derzeitige Lage, nicht wahr?«
»Was macht dich so sicher, dass ich jemanden umgelegt habe?«, fragte Declan. Ihm war nicht danach, die Frage zu vertiefen, was – oder wen – er vielleicht verloren hatte. Und er fand es auch nicht gerade erquickend, dass Cayal ihre Gemeinsamkeiten hervorhob.
»Machst du Witze? Warst du nicht der Erste Spion des Königs von Glaeba? Es würde mich wundern, wenn du nur einen auf dem Gewissen hast.«
Da lag er zwar richtig, aber das würde Declan nicht zugeben. »Haben wir überhaupt Zeit für einen Aufenthalt?«, fragte er.
»Wir können auch ohne Pause weiter, falls du das möchtest – allerdings nur, wenn du das unstillbare Verlangen verspürst, wie der da zu enden«, sagte der unsterbliche Prinz mit einem Blick auf Kentravyon. »Mäßigung in allen Dingen ist der Schlüssel zur Beherrschung der Gezeiten und der einzige Weg, dabei gesund zu bleiben, Ratz.«
»Und das aus deinem Munde?«, fragte Declan, überrascht von Cayals weisem Rat. Es war überhaupt eigenartig, dass Cayal Unterweisungen gab, die nicht unmittelbar seinen Zwecken dienten. »Du bist doch eh bald tot. Was macht es für einen Unterschied, wenn die Anstrengungen, dich an dein Ziel zu bringen, dich oder sonst wen in den Wahnsinn treiben?«
»Ich könnte ja verrückt werden und mir das mit dem Sterben noch mal überlegen. Und das wäre nun wirklich Irrsinn.«
»Macht es dir zu schaffen, das dein
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