Fix und forty: Roman (German Edition)
dir mal vor, du würdest in der Jury sitzen«, sagte ich. »Man müsste mir eine Menge Margaritas servieren, damit ich fünfhundert Trapeznummern nacheinander aushalte.«
»Nein, hör zu, es war ganz anders. Raptor wurde in ein Büro gerufen, wo etwa zwölf Club-Med-Manager um einen Konferenztisch saßen. Sie erklärten ihm, er hätte zwei Minuten, sie zu beeindrucken – ›Ab jetzt!‹, einfach so.«
»Und was hat er getan?«
»Er hat einen Raptor imitiert.«
»Einen Veloci raptor?«
Hannah krümmte sich wie ein Geier und/oder eine Echse, krächzte, verdrehte den Hals und führte die recht passable Imitation einer unserer amerikanischen Ikonen vor, des räuberischen Fleischfressers aus Jurassic Park . »Seitdem haben sie ihn Raptor genannt.«
Ich sah ein, dass ich mich geirrt hatte. »Beeindruckend. Bravo dem Mann, den sie Raptor nennen.«
Die Art, wie der Club Med seine Bewerbungsgespräche handhabte, klang so verlockend, dass ich mich fragte, ob wir an der Uni etwas davon lernen konnten. Auf jede Assistentenstelle kommen etwa fünfhundert qualifizierte Bewerbungen. Derzeit besteht das Prozedere darin, die besten Lebensläufe auszusieben und Auszüge aus den Dissertationen mit den dazugehörigen Empfehlungsschreiben anzufordern. Die Vorstellungsgespräche beim jährlichen Treffen der Modern Language Association, des Berufsverbands für Literaturwissenschaftler, stellen die erste Runde dar, in der die offensichtlichen Blindgänger eliminiert werden. In einem zweiten Schritt werden die drei vielversprechendsten Kandidaten zu einem zermürbenden Campus-Besuch eingeladen, bei dem die Anwärter in einem zweitägigen, dreistufigen Gesprächsmarathon, der selbst dem dreistesten Bewerber die Tränen in die Augen treiben soll, zeigen müssen, was sie draufhaben. Zuerst müssen die Kandidaten in einem Frage-und-Antwort-Forum ihre wissenschaftliche Forschung präsentieren. Als Nächstes wird verlangt, dass sie einen Raum voller fremder Studenten unterrichten, die Zuhörer zur dynamischen Auseinandersetzung mit einem literarischen Text bringen, den sie womöglich noch nie gelehrt haben, und bei der Moderation der Diskussion gleichzeitig ihre hoch entwickelten pädagogischen Fähigkeiten unter Beweis stellen, während die Jury im Hintergrund sitzt und sich eifrig Notizen macht. Schließlich, und das ist der Clou, müssen die Bewerber an mindestens zwei Mittagessen und zwei Abendessen mit ihren potenziellen zukünftigen Kollegen teilnehmen. Bei diesen festlichen Veranstaltungen versuchen Mitarbeiter der Personalabteilung häufig durch verschlagene, doch legale Strategien, den Kandidaten Informationen über ihren Familienstand und ihre sexuelle Orientierung zu entlocken. (Anmerkung: vielleicht ein guter Job für meine Schwägerin Staci!)
Mir schien, Club Med hatte uns da etwas voraus. Vielleicht sollten wir die quälenden Campus-Besuche überdenken. Vielleicht wäre es für alle Beteiligten besser, wenn wir uns zurücklehnen und die Damen und Herren Doktoren zu einer zweiminütigen Demonstration eines denkwürdigen Talents oder Verhaltens auffordern würden. Sollte ich persönlich je wieder auf Jobsuche sein, würde ich die Jury dadurch zu gewinnen versuchen, dass ich mir mein eigenes Bein hinter den Kopf klemmen kann. Abartig, ja. Am Thema vorbei, richtig. Aber denkwürdig, vor allem in Anbetracht meiner dreiundvierzig Jahre.
Ich hatte noch eine Frage an meine Schwester. »Wie hieß Raptor vorher?«
»Stuart.«
»Er sieht gar nicht wie ein Stuart aus.«
»So ist das manchmal«, sagte meine Schwester weise.
»Phil sieht wie ein Phil aus«, wandte ich ein.
»Wahrscheinlich würde ich es mir zweimal überlegen, bevor ich mit einem Mann namens Stuart ausgehen würde«, gab Hannah zu.
Ich gab ihr recht, denn der einzige Stuart, den ich kannte, trug gerne ein langärmeliges auberginefarbenes T-Shirt, auf dem in rosa Kursivbuchstaben stand: SO SIEHT EIN FEMINIST AUS .
»Mit welchen anderen Namen würdest du dich nicht gern verabreden?«
»Dennis«, sagte sie entschieden.
Auch hier gab ich ihr recht. Unser Vetter Dennis sammelte Salz- und Pfefferstreuer in der Form sportlich-pfiffiger Waldtiere. Er stellte sie an prominenter Stelle in einer maßgezimmerten Vitrine im Esszimmer aus. Er hatte ein Paar drollige Keramik-Stinktiere, die oft in unseren Anekdoten über die Loewen-Sippe vorkamen.
»Du?«
»Die naheliegende Antwort ist Bob«, sagte ich. Priesterlich winkte Hannah ab. »Natürlich. Bob wäre schwierig. Genau
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