GK446 - Der Geisterhenker
vorbei, wollte sie passieren, doch da geschah etwas Unvorhergesehenes.
Aus der Finsternis schälten sich urplötzlich zwei furchterregende Gestalten. Groß und kräftig. Blutrot gekleidet. Eine Maske verdeckte die obere Hälfte ihres Gesichts.
Henkersknechte waren es!
Frank Poelgeest stoppte abrupt. Die beiden unheimlichen Gestalten versperrten ihm den Weg. Er warf einen nervösen Blick zurück. Hinter ihm war niemand. Er trat einen Schritt zurück und drehte sich. Sobald er mit dem Rücken zur Hausmauer stand, ballte er die Hände.
Aus den Sehlöchern der roten Stoffmasken starrten ihn zwei grausame Augenpaare an.
Frank Poelgeest hatte den Eindruck, diese beiden Kerle würde es nicht wirklich geben. Eine launische Macht schien die Henkersknechte in sein Leben kopiert zu haben.
Sie gehörten nicht in diese Welt. An ihren Konturen war das zu erkennen. Da war ein leichtes Flimmern. Geister standen vor Frank Poelgeest. Unwillkürlich kam ihm in den Sinn, daß er immer und überall betonte, er wäre ein erklärter Feind der Hölle. Das Schattenreich schien davon Kenntnis erhalten zu haben, und es kümmerte sich nun um ihn.
Poelgeest kniff die Augen zusammen. »Was wollt ihr von mir?«
»Wir kommen dich holen, Frank Poelgeest«, sagte einer der beiden Schergen mit kratziger Stimme.
»Der Geisterhenker wartet auf dich!« sagte der andere. Seine Stimme klang genauso.
»Ich rate euch, mich nicht anzufassen. Ich schlage euch die Schädel ein, wenn ihr mir zu nahe kommt!« polterte Frank Poelgeest.
Die Geisterknechte grinsten. »Armer Irrer. Denkst du wirklich, mit uns fertigwerden zu können?«
»Und ob ich das kann!«
»Dann zeig’s mal!«
Die Henkersknechte warfen sich auf den Holländer. Poelgeest versetzte dem einen einen Tritt und hämmerte dem anderen seine Faust ans Kinn. Die Wirkung war gleich Null. Harte Hände packten den Mann. Er riß sich los und stemmte sich von der Wand ab. Wie vom Katapult geschleudert flog er auf die Schergen zu. Seine Schultern rammten sie auseinander. Sie stellten ihm ein Bein, als er starten wollte. Er fiel, rappelte sich sofort wieder auf, dachte an Tony Ballard, der mit diesen Höllenbastarden fertigwerden würde, und daß er selbst gegen die Henkersknechte keine Chance hatte.
Deshalb gab es jetzt nur noch eines für ihn: Flucht!
Die Geisterknechte durften ihn nicht kriegen.
Er mußte Tony Ballard alarmieren, damit er sich gegen diese rot gekleideten Teufel stellte.
Vier, fünf Schritte machte Frank Poelgeest. Da prallte einer der beiden Schergen gegen seinen Rücken. Er stolperte und fiel zum zweitenmal. Hart schlug er auf dem Asphalt auf. Ein heftiger Schmerz durchzuckte sein rechtes Knie. Er biß die Zähne zusammen, schrie aber nicht. Vielleicht hätte es geholfen, laut um Hilfe zu brüllen, aber Frank Poelgeest brachte keinen Laut über die Lippen.
Schwer lastete der Körper des Schergen auf ihm und drückte ihn zu Boden. Sein Gesicht war schweißbedeckt. Er wollte sich freikämpfen. Es gelang ihm, sich umzudrehen, aber mehr schaffte er nicht, denn der zweite Scherge griff hart zu, und gemeinsam rissen die Geisterknechte ihn hoch.
Ein Blick in ihre gnadenlosen Augen verriet ihm, daß er verloren war.
***
Die Zeit verging nicht. Wie zähflüssiger Sirup zog sie sich. Oliver Kirste hatte das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu stehen. Torsten Klenke wurde allmählich ungeduldig. Kreuz und quer hatten sie den nächtlichen Park immer und immer wieder durchstreift. Sie hatten sich hinter Büschen und Bäumen versteckt und gewartet. Doch bis jetzt war nichts geschehen. War das Erscheinen des Geisterhenkers am Ende eine einmalige Sache gewesen? Würde er hier nie wieder auftauchen? War es nur seine Aufgabe gewesen, Wolfram Wegner hinzurichten und dann in die Hölle zurückzukehren? Oder würde er die Hinrichtungen fortsetzen? Aber diesmal woanders. In Hainholz vielleicht. Oder in Eilenriede. Oder in Kleefeld.
»Am besten blasen wir’s ab«, sagte Oliver Kirste.
»Bis Mitternacht halten wir noch durch, okay? Wenn der Geisterhenker bis dahin nicht aufgetaucht ist, gehen wir nach Hause.«
»Ich glaube nicht, daß er sich hier noch mal blicken läßt.«
»Das kann keiner wissen.«
»Wieso bist du auf einmal so scharf darauf, ihn zu sehen? Gestern hast du mir kein Wort geglaubt.«
»Sehr weise.«
»Heute hat man einen Toten gefunden. Da sieht die Geschichte schon etwas anders aus«, sagte Torsten Klenke. »Mein Interesse ist wach geworden. Warum der Geisterhenker
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