Gnadenlose Jagd
den Kopf. »Keine Ahnung. Sie ist ein Wunder.« Sie begann, Samson abzusatteln. »Falls du keine weiteren Fragen mehr hast, ich hab zu tun.«
»Mit anderen Worten, ich habe genug von deiner Zeit vergeudet.«
»Nein, es war dein gutes Recht. Bist du bei deiner Suche nach der undichten Stelle in Langley weitergekommen?«
»Noch nicht. Stolz verfolgt gerade eine Spur. Es gibt da einen jungen Burschen, ein Computergenie. Er würde in Frage kommen. Wenn er es nicht ist, wird Stolz weitersuchen. Ich rufe ihn mindestens einmal am Tag an, um ihn auf Trab zu halten.«
»Aber Stolz weiß nicht, wo du bist?«
»Selbstverständlich nicht. Himmelherrgott, glaubst du etwa, ich würde riskieren, jemanden auf deine Fährte zu bringen? Ich vertraue Stolz, aber Kilmer hat mir von vornherein klargemacht, dass ich, solange ich für ihn arbeite, niemandem vertrauen darf. Das gehört zum Vertrag. Ich hab Stolz gesagt, ich wäre in Miami.«
»Ich musste das fragen.« Sie sah ihm in die Augen. »Ich bin für Frankie verantwortlich, und ich kann nichts als selbstverständlich voraussetzen.«
Er nickte. »Weder bei mir noch bei Kilmer. Du hast es nicht so mit Vertrauen. Sag mal, Grace, hast du deinem Vater vertraut?«
»Selbstverständlich.« Sie schüttelte resigniert den Kopf. »Meistens jedenfalls. Wenn es nur um ihn und mich ging. Ansonsten war er nicht besonders zuverlässig, und er war auch nicht immer ehrlich, aber er hat mich geliebt. Er hätte nie etwas getan, was mir schadet. Und er wusste, dass ich in der Nacht in El Tariq mit dabei sein würde. Er hätte mich nicht verraten.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Wahrscheinlich nicht – was soll das? Er hätte es nicht getan.«
Robert blickte resigniert drein. »Anscheinend trete ich hier dauernd in irgendwelche Fettnäpfchen. Ich glaube, ich verziehe mich mal lieber.«
Grace schaute ihm nach. Sie hätte nicht so barsch reagieren sollen. Er hatte nur ganz normale Fragen gestellt. Woher sollte er wissen, wie empfindlich sie war, wenn es um ihren Vater ging? Von klein auf hatte sie ihren Vater gegen Leute verteidigen müssen, die nicht begriffen, dass ihr Leben mit ihm nicht so ablief, wie sie sich das vorstellten. Er hatte ihr Leben zu einem Abenteuer gemacht. Manchmal zu einem, das von Angst und Schrecken bestimmt war, aber er hatte sich immer liebevoll um sie gekümmert. Dieses Wissen war ihr wichtig. In einer sich ständig verändernden Welt hatte sie sich, wenn sie nirgendwo mehr Halt gefunden hatte, immer darauf verlassen können, dass ihr Vater sie liebte.
Und Kilmer hatte versucht, ihr diese Gewissheit zu nehmen.
Also sollte er sich zum Teufel scheren.
»Tonino war gestern Abend in Kersoffs Haus«, sagte Hanley. »Ich habe das Haus von Lackman beobachten lassen, bis die Leiche entdeckt wurde. Anscheinend hatte die Frau kaum Freunde, denn nach zwölf Stunden hatte immer noch niemand etwas von ihrem Tod bemerkt.«
»Tonino«, wiederholte Marvot nachdenklich. »Einer von Kilmers Männern.«
Hanley nickte. »Ich nehme an, Kilmer hat ihn geschickt, um in Erfahrung zu bringen, wie Kersoff Grace Archer ausfindig gemacht hat.«
»Oder er ist Ihnen gefolgt, als Sie der Dame einen Besuch abgestattet haben.«
»Ich war vorsichtig«, antwortete Hanley hastig. »Ich bin ein Profi. Das hätte ich gemerkt.«
Es stimmte, Hanley machte selten Fehler, dachte Marvot, aber Kilmer hatte außergewöhnlich fähige Leute. »Ich würde trotzdem vorschlagen, dass wir die nähere Umgebung hier überprüfen, um festzustellen, ob wir beobachtet werden. Was hat Lackman berichtet?«
»Tonino war weniger als zehn Minuten im Haus. Offenbar hat er die Leiche entdeckt und sich dann sofort aus dem Staub gemacht.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass Sie keine Spuren hinterlassen haben, nachdem Sie Kersoffs Frau liquidiert haben?«
Hanley nickte. »Ja. Ich habe den Schreibtisch und ihr Schlafzimmer gründlich durchsucht. Keine Papiere, keine Hinweise.«
»Dann scheinen wir Kilmer ja eine Nasenlänge voraus zu sein.« Marvot lächelte. »Und ein kleiner Vorsprung ist alles, was wir brauchen. Haben Sie Kersoffs Informanten bei der CIA schon kontaktiert?«
»Ich habe jemanden nach Langley geschickt, der persönlich mit ihm Kontakt aufnehmen soll. Falls Kilmer weiß, wo die undichte Stelle ist, müssen wir den Mann aus dem Verkehr ziehen, ehe er ihn in die Finger kriegt.« Hanley zuckte die Achseln. »Und es gibt doch nichts Überzeugenderes als ein Bündel Geldscheine auf die Hand. Oder Angst.
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