Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
kam nie darüber hinweg, selbst wenn man überlebte. Es veränderte einen.
Ich versuchte, die schlimmen Erinnerungen zu ignorieren und nachzudenken. Einige der Hobs hatten sich augenscheinlich ihre Opfer geschnappt und waren verduftet. Das war ihr Modus Operandi, wie er im Lehrbuch stand. Auch wenn dieser ganze Angriff einen höheren Grad an Vorbereitung vermuten ließ als ein einfacher Amoklauf, war doch offensichtlich, dass der, der dahinter steckte, nicht vollständig die Kontrolle besaß. Alle Feen hatten eine Eigenschaft gemeinsam – allein schon vom Wesen her waren sie ein streitlustiges Völkchen, das sich fast niemals herumkommandieren ließ.
Die Hobs auf der Treppe waren anders als die, mit denen ich mich im vorderen Bereich des Bahnhofes hatte herumschlagen müssen. Sie schleppen weit hochwertigeres Besteck mit sich herum, höchstwahrscheinlich aus Bronze, und trugen eine Art Lederrüstung. Dass sie sich so eng an der Treppe aneinandergedrängt hatten, wies darauf hin, dass sie sich zumindest ein wenig organisiert hatten, um in Reihen zu kämpfen. Etwas hatte diese Hobs gezwungen, gemeinsam anzugreifen. Hölle, wenn die Anzahl der Hobs ein Hinweis war, dann zeigte mir das, dass die Bande, die sich auf Michael und mich gestürzt hatte, nicht mehr war als eine Gruppe verstreuter Plänkler gewesen war, die sich offensichtlich auf eigene Faust aufgemacht hatten, um sich ein schönes Mitbringsel für zuhause zu besorgen.
Was also war das Ziel dieses Angriffes gewesen und was zur Hölle hatte sie alle die Treppe hinaufgelockt?
Was auch immer am oberen Ende war offenbar.
Über mir begann das Licht des heiligen Schwertes zu zucken und zu verlöschen. Ich hastete die Stufen hinauf, wobei ich schützend die Hand vor die Augen hob, um sie vom Licht abzuschirmen, bis das Leuchten verloschen war, und holte Michael schließlich ein. Er atmete schwer und hatte das Schwert hoch über dem Kopf in einer Angriffsposition erhoben, um es sofort herabsausen zu lassen, wenn es notwendig war. Ganz nebenbei fiel mir auf, dass sich der Gestank nach abgestandenem Wasser gelegt und ein leichter Rosenduft seinen Platz eingenommen hatte. Ich hob das Gesicht und fühlte, wie kühles, nach Rosen duftendes Wasser auf meine Wangen fiel. Schien ganz so, als hätte es ihm ganz gut getan, durch den Lichtschein eines heiligen Schwertes zu regnen.
Der letzte Hob, der gefallen war, war ein gigantischer Unhold von der Größe eines Berggorillas gewesen. Nun lag er bewegungslos zu Michaels Füßen. Was von seinem Bronzeschild und -schwert übrig war, lag säuberlich in Stücke gehauen um seinen Körper verstreut. Sein Blut troff zähflüssig die Stufen hinab, umspielt von blauweißen Flammen, während weiteres Feuer langsam seinen Körper verzehrte.
„Ihr könnt euch alle entspannen“, keuchte ich, als ich Michael einholte. „Ich bin da.“
Michael grüßte mich mit einem Nicken und einem Lächeln. „Geht es dir gut?“
„Kann nicht klagen“, keuchte ich und unterdrückte die Versuchung, das in einem versnobten britischen Akzent zu sagen. „Tut mir leid, dass ich keine große Hilfe war, nachdem du losgelegt hattest.“
„Ohne deine Hilfe wäre das nicht möglich gewesen“, sagte Michael ernst. „Danke.“
„De nada.“
Ich stieg die letzten paar Stufen empor und sah, hinter was die Hobs her gewesen waren.
Kinder.
Am oberen Ende der Treppe mussten sich dreißig Kinder um die zehn Jahre befunden haben. Sie trugen Schuluniformen und hatten sich in einer Ecke zusammengedrängt. Alle weinten mit schreckgeweiteten Augen. Ich sah auch eine verunsichert aus der Wäsche lugende Dame in einer Windjacke, die zu den Uniformen der Kinder passte, und zwei Frauen in den legeren Uniformen von Amtrak-Stewardessen.
„Der Zug ist gerade erst angekommen“, flüsterte ich Michael zu, als ich erkannte, was geschehen war. „Irgendwie muss er trotz des Wetters durchgekommen sein. Deshalb waren die Hobs hier.“
Michael schwang Amoracchius zur Seite, was eine kleine Wolke schwarzen Staubes von der Klinge fegte. Dann schob er die Waffe in ihre Scheide. „Jetzt sollte alles sicher sein“, sagte er ruhig. „Die Einsatzkräfte werden hier jede Minute auftauchen.“ Dann flüsterte er mir zu: „Wir sollten hier am besten verschwinden.“
„Noch nicht“, sagte ich leise. Ich schritt weit genug in die große Bahnhofshalle, bis ich auch den Bereich hinter der ersten Reihe korinthischer Säulen überblicken konnte, die die Wände
Weitere Kostenlose Bücher