Hitzetod
grüne Glanz ihrer Augen. Ihre Lippen öffneten sich, und ihr heißer, feuchter Atem strich wie ein samtener Kuss über ihn hinweg.
Die Hand, mit der er sich über die Stirn fuhr, war schweißnass, sein Laken zerknittert. Er wusste nicht genau, was er da spürte, aber Schuld war nur ein Teil davon.
Er griff nach der Flasche, die auf seinem Nachttisch stand, goss sich einen Whisky ein und schluckte ihn rasch hinunter. Falls das, was er hatte, Fieber war, würde die Medizin, die er da nahm, keine Heilung bringen, aber er nahm noch einen Schluck in der Hoffnung, dass das Brennen des Alkohols seine Wirkung tun und schließlich die Träume von ihm fernhalten würde. Bisher hatte es das noch nicht getan, und in Wirklichkeit wusste er gar nicht genau, ob er überhaupt wollte, dass sie irgendwann von ihm ferngehalten würden.
24
Obwohl Bonner wusste, dass es Zeitverschwendung war, hatte er den Vormittag damit verbracht, mit Jackie Malones Nachbarn zu reden. Er hatte samstags wahrlich Besseres zu tun und am Ende, wie er es vorausgesagt hatte, nichts Neues zu berichten. Hier war das Land der drei weisen Affen. Niemand hatte etwas gesehen, niemand etwas gehört und niemand sagte irgendetwas zu irgendjemandem. Die unmittelbare Nachbarin zur Rechten hatte Bonner sich für zuletzt aufgehoben. Die obere Wohnung. Dieselbe Einrichtung.
Er saß auf dem unbequemen hölzernen Küchenstuhl, wand sich ein wenig und versuchte, seine Pobacken in eine angenehmere Lage zu bringen, denn die Mittelleiste des Stuhls schob sich zwischen sie. Er sah zu, wie Melissa ihm eine Tasse Tee eingoss. In Wirklichkeit hieß sie Karen Stuple, fand aber, dass Melissa sexyer klang. Für Bonner sah sie nicht nach Melissa und eigentlich auch nicht nach Karen aus; für ihn hatte sie mehr von Ingrid oder Tonya. Sie hatte deutsche Vorfahren, was sich in ihren langen, muskulösen Beinen und einer eindeutig teutonischen Brust niedergeschlagen hatte. Sie gehörte zu der Art von Frauen, denen der Dichter Betjeman gerne beim Tennisspielen oder beim Radfahren in der Stadt zugeschaut hätte. Bonners Blick wanderte von ihren Beinen, auf zehn Zentimeter hohen Stöckelschuhen balancierend und in schwarzen Nylonstrümpfen und Strapsen gefangen, aufwärts über ihre cremefarbenen kräftigen Hüften bis zu ihrem üppigen Oberkörper, der durch ein Spitzenmieder zu etwas beinahe Cartoonartigem geformt wurde. Eine Mischung aus Jessica Rabbit und Betty Boop. Die legere grüne Strickjacke darüber trug ebenso wie der dick aufgetragene rote Lippenstift oder das goldblonde Haar nicht eben dazu bei, von Melissas Sexappeal abzulenken, fand Bonner. Er stand auf Frauen, die wie Frauen aussahen, was auf Melissa ohne Zweifel zutraf. Und wenn ihre Haarfarbe aus der Flasche und ihr Busen aus dem Katalog eines Schönheitschirurgen stammte, war das Bonner völlig egal. Das zeigte lediglich, dass ihr mehr als anderen Frauen an ihrem Aussehen lag, ein Zug, den er vollkommen akzeptabel fand.
Heute konzentrierte er sich allerdings aufs Dienstliche oder versuchte es zumindest, das Notizbuch aufgeschlagen auf dem Schoß, den Stift in der Hand.
»Komm schon, Schätzchen, sie ist tot. Kein angenehmer Tod.«
Melissa fröstelte. »Hab’s gehört.«
»Der von Billy Martin auch nicht.«
»Was ist denn diesem Arschloch passiert?« Nachdem sie zwei Tassen Tee auf den Tisch gestellt hatte, setzte sie sich ihm gegenüber. Zerstreut sah er zu, wie sie eine Zigarette zwischen ihre rubinroten Lippen steckte und anzündete, wobei ihre Lippenmuskeln zuckten und die Zigarette beim ersten Lungenzug einen trägen Rundtanz vollführte. Beim Einatmen hob sich Melissas Brust, und Bonner musste den Blick von ihrem Ausschnitt abwenden. Die Hitzewelle schien nicht nachlassen zu wollen, weshalb ein kleiner Schweißtropfen langsam an ihrer linken Brust hinunterrann.
»Ich hab gefragt, was ihm passiert ist.«
Bonner blinzelte und sah sie an. »Er wollte ein bisschen schwimmen. Hatte seine Schwimmflügel nicht an.«
Mit hohl werdenden Wangen und geschürzten Lippen sog Melissa erneut Rauch ein und ließ ihn anschließend in einem trägen Strom wieder entweichen, wozu Bonner beinahe den Seufzer geliefert hätte.
»Gut«, sagte sie schließlich, und Bonner nickte zustimmend. Obwohl Billy Martins Ableben von niemandem beweint wurde, hatte er eine Aufgabe zu erledigen, und je eher er das Dienstliche hinter sich brachte, desto eher konnte er sich anderen Dingen zuwenden. Er deutete mit dem Kopf auf die
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