Im Herzen der Nacht - Roman
wanderte und »Puff the Magic Dragon« sang. »Nun, ich... eh... möchte dich um einen Gefallen bitten.«
»Klar.«
»Würdest du in mein Haus gehen und meine Ersatzschlüssel holen? Außerdem brauche ich noch ein Handy und ein bisschen Geld.«
»Okay. Dein Motorrad auch?«
»Ja, das steht auf dem Parkplatz der Brewery. Heute Abend müsstest du’s zu mir bringen.«
»Wohin?«
»Moment mal...« Talon hielt den Hörer von seinem Ohr weg. »He, Sunshine!«, rief er, und sie wandte sich zu ihm. »Wo zum Teufel bin ich?« Obwohl er das Telefon an seine Schulter drückte, hörte er Kyrians Hohngelächter.
»Kennen Sie den Nachtclub Runningwolf’s an der Canal Street?«
»Ja.«
»Wir sind direkt darüber.«
»Danke«, murmelte er und gab die Information an Kyrian weiter.
»Ich schwöre dir, Talon, eines Tages werden dich deine Hormone noch umbringen.«
Warum sollte er sich die Mühe machen und Kyrian die Wahrheit erzählen? Seit über tausend Jahren kannten sie sich, und Talon war noch nie auf diese Weise ertappt worden. Kyrian würde ohnehin nicht glauben, wie Talon in diesen Loft geraten war. Verdammt noch mal, das konnte er selber kaum fassen. »Und ich brauche ein paar Kleider.«
Am anderen Ende der Leitung entstand ein Schweigen, das in Talons Ohren gellte. O ja , Nick ist ein toter Mann, sobald ich ihn erwische...
»Was?«, fragte Kyrian zögernd.
»Ich habe meine Kleider verloren.«
Da lachte Kyrian wieder. Schallend.
»Halt den Mund, Kyrian, das ist gar nicht komisch.«
»Also, da, wo ich stehe, ist’s sogar sehr komisch.«
Aber da, wo Talon stand, eine rosa Decke um die Hüften, kein bisschen .
»Okay«, fügte Kyrian in etwas ernsterem Ton hinzu. »Keine Bange, wir kommen so schnell wie möglich zu dir.«
»Wir?«
»Julian und ich.«
Gepeinigt seufzte Talon. Ein ehemaliger Dark Hunter und ein Orakel. Großartig. Einfach fabelhaft. Das würden sie ihm immer wieder aufs Butterbrot schmieren. Am Abend würde einer der beiden die Story sicher an die Dark-Hunter-Website mailen, damit sich die ganze Branche kranklachte.
»Gut.« Mit einiger Mühe bezwang er seinen Zorn. »Bis dann.«
»Eigentlich könnte ich Ihnen ein paar Sachen kaufen«, bemerkte Sunshine, sobald er aufgelegt hatte. »Das bin ich Ihnen schuldig.«
Talon schaute sich im Loft um. Da sah es so aus, als wäre eine Flasche Pepto-Bismol explodiert. Oder die »Die Katze im Hut« aus dem populären Kinderbuch wäre zu Besuch gekommen. Überall rosa. Am unangenehmsten fielen ihm die schäbigen Möbel und das bunt zusammengewürfelte Dekor auf. Offenbar eine halb verhungerte Künstlerin. Das Letzte, was sie sich leisten konnte, war eine Zweitausend-Dollar-Hose. Und bevor er schnöden Denim auf seiner Haut duldete, würde die Erde stillstehen. »Schon gut, darum kümmern sich meine Freunde.«
Sie brachte ihm einen Teller mit Muffins und sonderbaren Halmen.
»Was ist das?«
»Ihr Frühstück oder Ihr Lunch.« Als er nicht danach griff, erklärte sie: »Natürlich müssen Sie was essen, das tut Ihnen gut. Cranberry-Kleie-Muffins mit Flachs, Samen und Alfalfasprossen.«
Auf diesem Teller erweckte nichts den Eindruck, es wäre auch nur annähernd genießbar. Schon gar nicht für einen ehemaligen keltischen Clanführer.
Okay, Talon, auch das wirst du verkraften. »Gibt’s Kaffee?«
»Igitt, nein! Dieses Zeug würde Sie umbringen. Ich kann Ihnen einen Kräutertee servieren.«
»Was, einen Kräutertee? Das ist kein Getränk, sondern Spülwasser.«
»Oh, ist Mister Pingelig mit dem linken Fuß aus dem Bett gestiegen?«
Noch nie hatte jemand so unverschämt mit ihm geredet. Sogar Nick wusste es besser. Resignierend gab er sich geschlagen. »Wo ist das Bad?« Dieser Frage folgte ein beklemmender Gedanke. Bitte, sagen Sie mir, es liegt hier im Loft. Nicht draußen auf dem Parkplatz.
Zu seiner Erleichterung zeigte sie auf eine dunkle Ecke. »Da drüben.«
Noch ein Sektor, von einem rosa Vorhang abgeteilt. Wundervoll. Und er hatte irrtümlicherweise geglaubt, das Mittelalter wäre vorbei. Oh, was für schöne Erinnerungen …
Nachdem er den Vorhang hinter sich geschlossen und die Decke auf den Boden geworfen hatte, kam Sunshine mit einem rosa Handtuch und einem Waschlappen in den Händen zu ihm herein.
Beim Anblick seines nackten Körpers erstarrte sie sekundenlang. Dann legte sie das Handtuch und den Lappen beiseite, ging langsam um ihn herum und inspizierte ihn von oben bis unten. »Wissen Sie, dass Sie die personifizierte
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