Im Herzen der Nacht - Roman
musterte ihn forschend. »Talon, erklär mir, was hier vorgeht. Du weißt, wer Nynia ist. Nicht wahr?«
Seine schwarzen Augen funkelten. »Weißt du es auch?«
O Gott, es stimmte, er kannte sie, er erinnerte sich an die Vergangenheit. Um das herauszufinden, musste man nicht Atomphysik studiert haben. Talon war Speirr. Und er sah so aus wie damals. Aber er vertrug das Tageslicht nicht mehr. Was war er jetzt? Ein Vampir oder ein anderes unsterbliches Wesen? »Wieso kennst du mich?«
»Wie könnte ich dich jemals vergessen?« Langsam erhob er sich.
»Oh, sehr raffiniert! Aber damit beantwortest du meine Frage nicht. Irgendetwas an dir ist seltsam, Talon. Und es ergibt keinen Sinn, dass du so aussiehst wie in meinen Träumen, während ich verändert bin. Was geht hier vor?«
Das wollte er ihr sagen. Doch er fand keine Worte. Nach deinem Tod erfüllte mich wilde Rachsucht. Ich verkaufte meine Seele einer griechischen Göttin. Jetzt gehöre ich ihr, und sie hat mir befohlen, bis in alle Ewigkeit Vampire zu jagen und zu töten. Sogar ihm selbst fiel es schwer, daran zu glauben, obwohl diese Tatsache seit fünfzehnhundert Jahren seine Existenz bestimmte.
Irritiert starrte sie ihn an. »Du bist schon wieder steif.«
»Kannst du nicht einfach für den Augenblick leben und mich so akzeptieren, wie ich bin?«
»Okay. Nur noch ein paar Fragen...«
»Welche?«
»Wann hast du deinen Highschool-Abschluss gemacht?«
Unbehaglich schüttelte er den Kopf. »Gar nicht.«
»In welchem Jahr bist du von der Schule abgegangen?«
Darauf konnte und wollte er nicht antworten. Der Kummer in Sunshines Augen zerriss ihm fast das Herz.
»Was ist los mit dir, Talon? Ich bin nicht dumm. Kein normaler Mensch leidet an einer so starken Sonnenallergie, dass er vor allen Fenstern fliehen muss. Warum zeigst du mir niemals deine Zähne? Glaub bloß nicht, das wäre mir entgangen. Wenn ich ihnen bei einem Kuss zu nahe komme, zuckst du sofort zurück.«
Am liebsten hätte er seine Macht genutzt, um ihr Gehirn zu benebeln, damit sie dieses Thema vergaß. »Was erwartest du? Soll ich zugeben, dass ich ein Vampir bin und den Vollmond anheule?«
»Bist du einer?« Sie umfasste sein Kinn, als wollte sie ihn zwingen, den Mund zu öffnen. »Zeig mir deine Zähne.«
Blitzschnell schüttelte er ihre Hand ab und trat zurück. »Das kann ich nicht.«
»Du bist Speirr , nicht wahr?«, fauchte sie und starrte ihn vorwurfsvoll an. »Irgendwie tauchst du in meinen Träumen auf.« Talon wich ihrem Blick aus, und sie beteuerte mit etwas sanfterer Stimme: »Das werde ich niemandem verraten. Aber ich muss es wissen.«
»Welchen Unterschied würde es machen?« Allmählich zerrte diese Diskussion an seinen Nerven. »Wenn du es erfährst - wirfst du mich raus?«
»Nein«, entgegnete sie leise und lächelte versöhnlich. »Niemals würde ich dich hinauswerfen.«
»Warum willst du es dann wissen?«
Das Feuer kehrte in ihre schmalen Augen zurück. »Weil ich mir wünsche, dass du ehrlich bist. Weil du dein Leben mit mir teilen sollst.«
In seiner Brust stieg wehmütige Sehnsucht auf, als er sich entsann, wie schwierig es in seinem sterblichen Dasein gewesen war, sich zu ihr zu bekennen. Damals hatten der gesellschaftliche Unterschied und bösartige Klatschgeschichten zwischen ihnen gestanden - jetzt verschworen sich alle Teile des Universums, um sie auseinanderzubringen. »Wieso nimmst du an, ich würde mein Leben mit dir teilen? Vielleicht benutze ich dich nur, um meine sexuellen Gelüste zu stillen?«
Bestürzt hielt sie den Atem an. »Tust du das?«
Ihre sichtliche Verzweiflung war kaum zu ertragen. Wie sollte er sich verhalten? Er durfte sie nicht verletzen. Nach kurzem Zaudern entschloss er sich zu einer Gegenfrage: »Tust du es nicht? Sag mir, was du von mir willst, Sunshine.«
»Offen gestanden, ich weiß es nicht. Einerseits fühle ich mich zu dir hingezogen, andererseits jagst du mir Angst ein. In deinen Augen sehe ich etwas Dunkles. Wenn ich dich besser kennen lernen wollte - würdest du das zulassen?«
»Nein«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »das kann ich nicht.«
»Dann schuldest du mir eine Erklärung. Warum nicht? Ich bin kein Kind, das den Rat eines Vaters braucht, wenn es eine Entscheidung treffen soll. Eigentlich dachte ich, du würdest mich respektieren.«
»Das tue ich.«
»Ach, tatsächlich? Und wieso behandelst du mich nicht wie eine erwachsene Frau? Sag mir, warum du dich weigerst, die einfachsten Fragen
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