In Nomine Mortis
schweres Verbrechen in den Augen der
Inquisition, dass es auch mich auf den Scheiterhaufen bringen mochte. Was
also hatte ich noch zu verlieren?
»Du musst dich
verstecken!«, flüsterte ich Lea zu — und in jenem
Augenblick fiel mir die unziemliche Vertraulichkeit, die für einen
Moment zwischen uns herrschte, nicht einmal auf. »Meister Philippe
wird nach dir suchen lassen, denn er hasst es, eine Sache, die er einmal
begonnen hat, nicht bis zum Ende zu führen.«
»Wo soll ich mich denn
verstecken?«, erwiderte Lea resigniert. »Die Häuser der
Juden werden sicherlich von den Spitzeln der Inquisition überwacht.
Und selbst wenn ich irgendwo bei einem Glaubensbruder unerkannt hineinschlüpfen
könnte: Ist nicht das Haus eines jeden Juden in Gefahr, geplündert
zu werden?«
Ich dachte an all die Elenden
und zweifelhaften Gestalten, welche die Augen der Inquisition waren.
Sicherlich gab es darunter genügend, welche bei Tag und Nacht durch
das Judenviertel streichen würden. »Du musst dich anderswo
verbergen — und ich weiß auch schon, wo«, antwortete ich
und lächelte ihr zu. Plötzlich erschien mir wenigstens dies
einfach.
»Wo?«, fragte die
Tochter des Geldwechslers.
»Im Haus eines Wollhändlers
in der Rue Darnetal«, antwortete ich — und achtete nicht auf
Leas überraschten Blick, denn woher ich dieses Haus kannte, das
wollte ich ihr aus Scham lieber nicht verraten. Auch wusste ich nicht, wie
wir, einmal dorthin gelangt, überhaupt eintreten mochten. Wir konnten
ja nicht anklopfen, einen Schlüssel hatte ich auch nicht und von den
Bediensteten hatte ich niemanden gesehen. Doch was blieb uns schon anderes
übrig, als dieses Versteck zu wählen?
Ich hoffte, dass ich mich an
der Hinterpforte bei der Schwester der Dienerin Magdalena bemerkbar machen
könnte. Sie musste ja in irgendeiner Form in die Sünde
eingeweiht sein, welche Klara Helmstede und mich verband. Mochte sie nur
denken, dass ich mich nach der Reedersgattin nun auch noch mit einer Jüdin
der Wollust hingab— das war mir gleichgültig, solange sie uns
nur das Haus ihrer Herrschaften öffnete.
»Komm«, flüsterte
ich deshalb Lea zu. »Folge mir unauffällig in einigen Schritten
Abstand. Doch gib darauf Acht, mich zwischen all den Menschen nicht aus
den Augen zu verlieren!«
Sie tat, wie ich ihr geheißen
hatte. Wir drängten uns durch die Menge über die erste Brücke,
vorbei an Notre-Dame und dem Judenviertel, wo ihr Haus nun leer und öde
stand; niemals würde sie es wieder sehen, so dachte ich traurig.
Über den Grand Pont gelangten wir schließlich auf die andere
Seite von Paris.
Auch hier waren die Bürger
zusammengelaufen und riefen unsinnige Dinge durcheinander. So mancher schüttelte
auch die Faust, doch gegen wen oder warum, das wusste ich nicht.
Heiß war es. Die
feuchte Luft stand wie flüssiges Blei in den überfüllten
Straßen. Betäubender noch als sonst war der Gestank aus den
Gossen. Ich wünschte, dass endlich wieder ein reinigendes Gewitter
einsetzen würde, wiewohl ich doch, nach den Erfahrungen der letzten
Tage, einen neuen, verheerenden Blitzschlag fürchtete. Doch der
Himmel war grau wie eine verwaschene Decke, kein Lufthauch wehte —
und so hatte ich wenig Hoffnung, dass bald das erlösende Unwetter
hereinbrechen würde.
Anstrengend war unser Weg.
Mancher freche Bursche achtete meiner Kutte nicht und rempelte mich an,
doch kamen wir ansonsten unbehelligt bis zum Brunnen Fontaine de la Reine.
Hier bedeutete ich Lea mit einer - wie ich hoffte — unauffälligen
Geste, dass sie warten solle.
Am Brunnen hatten sich gar
viele Bettler und anderes fahrende Volk versammelt, doch ich wusste keinen
besseren Platz, an dem die junge Jüdin hätte ausharren sollen,
wollte sie mich nicht aus den Augen verlieren. Ich hatte vor, langsam bis
zur Seitengasse und dort zum Nebeneingang des Hauses des Wollhändlers
zu gehen, um an die Pforte zu klopfen. Ich betete zu GOTT, dass die
Schwester Magdalenas mir öffnen und mich und die Flüchtige
einlassen würde. Doch diesmal erhörte ER mich nicht.
Ich hatte mich kaum zwei
Schritte vom Brunnen entfernt, als einer der Bettler aufstand und einen
gar schrecklichen Schrei ausstieß. Ich fuhr zusammen und starrte ihn
an. Für einen Moment glaubte, ja hoffte ich, dass es bloß die
Laute eines Besessenen seien, wie man sie wohl tagtäglich auf Pariser
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