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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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seiner Frageroutine nicht groß stören. »Fassen Sie nichts an. Bleiben Sie vor Ort, bis die Einsatzkräfte da sind.«
    Als ich die Verbindung beendete, fiel mir auf, dass ich das Findelkind gar nicht erwähnt hatte.
    »Die mit den Rundumkennleuchten kommen!«
    Richard nickte, versunken in seiner turtelnden Zwi e sprache mit dem Säugling auf seinem Arm. Vermutlich eine Schockreaktion auf den Tod unten am Bach. So war mit ihm nichts Vernünftiges anzufangen.
    »Pass auf«, sagte ich. »Am besten, du gehst mit der Kleinen schon vor zum Wagen.«
    Zärtlich stopfte er die rosafarbene Wolle, die das W e sen in seinem Mantel umhüllte, ums Gesichtchen fest.
    »Du hast doch Standheizung. Okay? Hast du mich verstanden, Richard?«
    »Ja«, antwortete er und blickte mich aus asymmetr i schen Augen etwas spöttisch an. »Ich verstehe dich gut, Lisa.«
    »Okay.«
    Sein Blick tauchte in meinen.
    »Und warte da! Hörst du! Ich werde die Beamten gleich zu dir schicken.«
    »Ja, ja.« Eine Sekunde später hatte er sich umgedreht und marschierte mit großen Schritten den Waldweg fort in Richtung Campus. Wie ein Geist, den ich mir nur ei n gebildet hatte, verschwand Richards elegante Gestalt hi n ter der Biegung zwischen den Bäumen.

5
     
    Nacht sammelte sich im Tal bei den Gebäuden der Klä r anlage und der Leiche. Ich zündete mir die zweite Zig a rette an und dachte darüber nach, warum wir Sonja De p per überhaupt gefunden hatten. Eigentlich hatten nicht wir, Richard und ich, sondern Cipión sie entdeckt. Und auch nicht sie, sondern das Baby. Der Schnuller fiel mir plötzlich ein, den er gleich zu Beginn unseres Spazie r gangs durchgekaut hatte. Womöglich hatte er der Kle i nen gehört. Cipión s Gedächtnis für Gerüche hatte dann die Verbindung hergestellt.
    Bodenkälte kniff sich durch die Sohlen meiner Chucks.
    Wo war eigentlich der Kinderwagen?, fiel mir ein. Depper hatte das Baby sicherlich nicht in Wolldecken auf dem Arm durch den Wald getragen. Wenn man Säugli n ge trug, dann in Trageschalen oder Bauchsäcken oder Tüchern. Dass der Kinderwagen fehlte, kam mir fast noch seltsamer vor als der Umstand, dass die Richterin ein Baby, das nicht ihr eigenes sein konnte, mit sich g e führt und ihren Mentor, Oberstaatsanwalt Weber, zu Hi l fe gerufen hatte. Sie habe eine Riesendummheit gemacht, hatte Richard sie zitiert. Und ich hatte mich darauf kapr i ziert, darüber zu spotten, dass sie sich verlaufen haben wollte. Aber dass sie zum Zeitpunkt ihres Anrufs im Landgericht und ihres Gesprächs mit Richard nicht g e wusst hatte, wo sie sich befand, war wohl nur ein vor ü bergehendes und das vermutlich kleinere Problem gew e sen. Ihr größeres war dieser Dergel, dieser Wutz, der Zwerg, das Kipf, das Scheißerchen in rosa Decken, mit dem Richard abgezogen war, als hätte er eine Beute e r gattert.
    Und sie lag tot da unten.
    Hatte Richard mich zielstrebig hierher geführt, wenn auch auf Umwegen? Von Anfang an hatte mir nicht ei n leuchten wollen, was wir in diesem Teil des Glemswa l des suchten. Mein Puls pumpte Hitze bis unter meine Haa r wurzeln. Richard! Mit ungewöhnlich ungebremstem Hass hatte er gestern Abend auf sie geschimpft und das Gebär-Ranking der Weiber.
    Nein. Er hatte ein Alibi!
    Wirklich? Hatte er wirklich ein Alibi? Deppers Anruf war kurz nach zwölf eingegangen. Angerufen hatte er mich erst halb zwei oder so. Mein Handy würde es mir genauer sagen. Was, wenn er tatsächlich sofort losgefa h ren war? Sie präsentiert ihm das Kind und eine haneb ü chene Geschichte. Es gibt einen Wortwechsel , Streit, dann ein Schubs oder ein Fehltritt, Depper rutscht ab und erhängt sich. Richard, geschockt, flieht, ruft mich an, kehrt mit mir an den Tatort zurück … Nein! Und noc h mals nein!
     
    Endlich drehte sich Blaulicht in den Bäumen. Aut o scheinwerfer blendeten von der Magstadter Straße he r auf. Ein silberblauer Mercedes rollte heran, gefolgt von einem Notarztwagen. Eine uniformierte Beamtin mit si l bernem Stern auf den Schulterklappen und ein Kollege mit grünen Sternen stiegen aus. Die Notärztin gesellte sich dazu.
    »Sie haben den Notruf abgesetzt?«, fragte die Polizi s tin.
    Ich deutete den Hang hinunter. »Dort.«
    Der Polizist hatte die Taschenlampe schon in der Hand und leuchtete hinunter. Er probierte den schmierigen Hang, hieb die Kanten seines Schuhwerks in Laub und Erde, befand, so werde es gehen, und reichte der Notär z tin die Hand. Sie rutschten hinunter.
    Die Polizeikommissarin wandte

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