Licht und Dunkelheit
es zu früh, sich darüber Gedanken zu machen.«
Sie forschte in seinem Gesicht. Seine Augen ruhten auf seinem Sohn.
»Ihr wollt ihn doch nicht töten?«, flüsterte sie entsetzt. Als er ihr in die Augen sah, konnte sie den Schmerz darin fühlen.
»Denkt Ihr wirklich, ich wäre so grausam?«
Erleichtert atmete sie aus und schüttelte unbewusst den Kopf. Nein, für so grausam hielt sie ihn nicht. Aber seine Loyalität Gregorius gegenüber war unerschütterlich, das hatte ihr in der Zeit, seit sie auf der Festung lebte, jede seiner Handlungen vermittelt.
Er stand auf und legte ein paar Holzscheite in den Kamin. »Ihr solltet Euch ausruhen. Ihr werdet gebraucht.« Seine Arme streckten sich nach Agilus aus.
»Was genau, Lord Otis, habt Ihr an meinen Worten nicht verstanden? Agilus bleibt bei mir.«
Halb belustigt, halb verärgert sah er sie an. »Und was, Lady Levarda, habt Ihr an meinen Worten nicht verstanden? Für Euch gilt absolute Bettruhe in den nächsten zwei Tagen.«
»Das Baby stört meine Bettruhe nicht.«
»Ach nein? Dann setzt Euch auf und nehmt ihn in den Arm.«
Sie verfluchte innerlich seine Unbarmherzigkeit. »Ihr wisst genau, dass ich das nicht kann.«
Er nickte, und bevor sie es gewahr wurde, hatte er das Baby aus ihrem Bett geholt und hielt es geschickt in seinen Armen.
Agilus hatte die Augen aufgerissen und öffnete den Mund zum Protest.
Lord Otis sah seinen Sohn streng an. »Du wirst schön still sein, junger Mann, und nicht protestieren. Haben wir uns verstanden?«
»Er ist ein Baby, nicht einer Eurer Soldaten.«
Doch zu Levardas Unmut schloss Agilus den Mund und sah den Mann, der ihn in den Armen hielt, fasziniert an.
Ein Lächeln huschte über Lord Otis‘ Gesicht, und zärtlich küsste er das weiche Haar des Säuglings.
Levarda sah ihnen zu, wie sie das Zimmer verließen. Erst dann wurde ihr bewusst, dass Lord Otis mal wieder seinen Willen durchgesetzt hatte.
Levardas Verletzungen heilten schneller als von ihr erwartet. Die Bettruhe hatte ihr gutgetan und sie war voller Energie, als sie wieder ihre gewohnten Aufgaben wahrnahm.
Lady Smira war erleichtert, dass sie Agilus wieder in ihre Obhut geben konnte. Sechs Wochen später fand die Willkommensfeier für den Thronfolger des hohen Lords statt. Alles, was im Reich Rang und Namen hatte, war eingeladen worden. Selbst Lord Blourred und Lady Tibana hatten die lange Reise angetreten.
Zu der Feier trug Levarda das Kleid, das ihr Lord Otis geschenkt hatte. Seit sie wieder Sachen aus Mintra besaß, fiel es ihr schwer, andere Stoffe zu tragen. Da sie aber für den Hof des hohen Lords als unpassend galten, war das Kleid von Lord Otis der beste Kompromiss, den sie fand.
Bei der Feier in der Sirkadel bekam sie den Platz neben Lady Eluis, die sich selbst als Levardas Beschützerin auserkoren hatte. Sobald Lord Otis nur wagte, sie mit seinem Blick zu streifen, bekam er einen bitterbösen Blick von ihr ab. Levarda gefiel es, dass der erste Offizier immer noch ihretwegen Ärger hatte.
Wie bereits bei der Hochzeit gab es eine lange Litanei über die Eltern und Vorfahren des neugeborenen Thronfolgers. Interessanterweise folgte die Zeremonie denselben Gesetzen, wie sie in Mintra galten. So wurde der Säugling erst angehaucht, dann mit Erde bestreut, ins Wasser getaucht und zuletzt um ein Feuer getragen, das in einer eisernen Schale im Zentrum einer aufgemalten Sonne aufgestellt war. Eltern und Großeltern übergaben das Kind dann in den Schutz des Gottes Lethos. Stumm, nur in ihrem Kopf, erbat Levarda den Schutz von Lishar.
Gemeinsam verließen sie in ihrer Rangfolge die Sirkadel: zuerst der Zeremonienmeister mit dem Thronfolger und den Eltern, von außen geschützt durch die Offiziere der Garde, dahinter die Männer des Rates mit ihren Frauen, die Hofdamen, angeführt von Lady Eluis, die Frauen der Offiziere mit ihren Kindern. Es folgten die einzelnen Herrschaftshäuser nach Rang und Namen, ebenfalls mit ihren Kindern.
Es war das erste Mal, dass Levarda ein Fest mit den Kindern erlebte. Fröhliches Lachen und ein buntes Treiben prägten die Stimmung der Feierlichkeit, gaben ihr eine Unbeschwertheit, von der Levarda sich anstecken ließ. Während die Halle den Erwachsenen zum Feiern vorbehalten war, hatte sich der innere Garten in ein Land voller Magie verwandelt. Aus dem ganzen Land waren Feuerspucker, Artisten, Barden und Tänzer geladen, und die Festung erschien in leuchtende Farben getaucht.
Die Kinder, allen voran Levitus, der seine
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