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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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keinen Platz mehr dafür gab. Ich liebte die Ruhe auf der Liege und dieses weiche Auf- und Abfahren mit dem in glitschiges Gel getauchten Schaller auf dem Bauch. Es war wie Streicheln, während auf dem Bildschirm am Kopfende wundersam die Umrisse des Kindes in Schwarz-Weiß auftauchten.
    Doch als die Ärztin dieses Mal mit dem Gerät über meinen Bauch glitt, sahen wir nicht viel. Das Fruchtwasser war dunkel, die Herztöne des Kindes unregelmäßig. »Ich stelle Ihnen eine Überweisung fürs Krankenhaus aus«, sagte sie erschrocken und bat meinen Mann, mir das nicht nur zu übersetzen, sondern mich umgehend dorthin zu fahren. Man müsse die Geburt einleiten.
    Ein flaches Backsteingebäude im Grünen, so viele grüne Bäume hatte ich noch nie gesehen. Überhaupt kannte ich keinen Frühling mit Rosen, wie sie zu dieser Zeit überall blühten. Es roch so frisch wie süßes Früchtegelee, das wir in Tunesien kochten, ich war überhaupt nicht beunruhigt. Zum ersten Mal, seit ich in Deutschland war, spürte ich so etwas wie Freude.
    An der Pforte des Krankenhauses wurden wir zum Untersuchungszimmer geschickt. Ein langer Gang im ersten Stock, wir suchten nach der richtigen Tür. Dort angekommen, drückte mir mein Mann unvermittelt den Brief, den wir mitbekommen hatten, in die Hand. »Da nimm und gib alles dem Arzt, der dich untersuchen wird.« – »Und du?«, fragte ich überrascht. »Muss zur Nachtschicht«, sagte er, »aber ich komm gleich morgen früh wieder.« Weg war er. Das war doch wohl nicht sein Ernst? Es war doch noch mitten am Tag. Macht der sich einfach aus dem Staub? »Gleich« kann lange dauern. Verdammt nochmal, das hatte ich schon befürchtet: Abdullah hält es nicht für nötig, dabei zu sein, wenn sein Kind zur Welt kommt. Ich kramte nach einem Taschentuch, um mir die Tränen abzuwischen, die mir schon wieder übers Gesicht liefen.
    Von den Frauen seiner Freunde hatte ich gehört, dass der Mann bei der Geburt seines Kindes dabei sein könne in Deutschland. Das wünschte ich mir auch, ich wollte, dass Abdullah mir hilft. Er musste! Es war doch schließlich unser erstes Kind. Ich hatte von nichts eine Ahnung, er würde mir wenigstens übersetzen können. Woher sollte ich wissen, was auf mich zukäme? Bei einem Geburtsvorbereitungskurs war ich nicht gewesen, ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gab.
    Doch mein Mann war verschwunden, so als ginge ihn das Ganze nichts an. Ob er ein paar Sachen für mich holen wollte? Oder wirklich arbeiten gegangen war? Diese Unsicherheit machte mich verrückt. Warum ist er nicht dageblieben, um mich zu beruhigen? Sollte ich ihm hinterherlaufen?
    Mir war schwindlig, die Beine waren schwer, ich hatte Angst. Als eine Krankenschwester vorbeikam, streckte ich ihr müde den Arztbrief entgegen. Sie lächelte und legte ihre Hand auf meinen Arm: immer mit der Ruhe. Ein paar Sekunden, dann eilte sie weiter. Ich suchte einen Stuhl, um mich zu setzen. Legte nun selbst beide Hände auf den Bauch und atmete tief in mich hinein. »Keine Sorge, Baby Amin«, flüsterte ich beschwörend, »wenn du erst da bist, dann sind wir nicht mehr allein.« Den Namen Amin hatte ihm mein Vater gegeben, als Abdullah ihm am Telefon erzählte, dass ich schwanger sei. »Es wird ein Junge werden«, hatte der Vater gesagt. »Er soll Amin heißen.«
    Ich schaute auf die Uhr, verfolgte das Vorrücken des Sekundenzeigers, tak, tak, tak, blickte auf die hohen, weißen Wände, die sich links und rechts vor mir auftaten wie Gebirgszüge, verfolgte den Sekundenzeiger, tak, tak, tak. Die Zeit ließ sich weder stoppen noch beschleunigen, aber das Tak, Tak versetzte mich in Trance. »Was soll dir jetzt noch passieren?«, hörte ich mich murmeln, wie ein Gebet. Ich starrte auf meine Hände auf dem Bauch. Bald würde das Kind da sein. Aber »bald« dauerte eine halbe Ewigkeit. »Bald« war auch eine Frau in Weiß, sogar auf dem Kopf trug sie Weiß, es musste die Hebamme sein, die mich in den Kreißsaal begleitete.
    Meine Handtasche solle ich ihr geben, bedeutete sie mir und griff danach. Aber nein, das möchte ich nicht, ich drückte sie an mich, den einzigen Halt, den ich hatte. Mich ausziehen solle ich. Sie legte mir ein dünnes weißes Hemdchen zurecht. Ich ging durch den großen Raum nach hinten, wo ich eine Umkleidekabine entdeckt hatte. Es war warm, ich zog mein Sommerkleid über den Kopf, der Schweiß sammelte sich zwischen den Brüsten, ich stopfte meine Unterwäsche in die Handtasche, faltete mein Kleid der

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