Macabros Neu 01 - Der Leichenorden von Itaron
kommen die beiden ja noch.«
»Es ist schon nach einundzwanzig Uhr! Wir warten nicht länger.« Bornier wandte sich an die Gäste. »Ich führe Sie zuerst in Ihre Zimmer, damit sie sich ein wenig ausruhen können. Dieser Abend soll ihrer Entspannung dienen. Der morgige Samstag steht dann ganz im Zeichen meiner Bilder. Bis dahin leben Sie sich erst einmal ein und schlafen Sie sich aus. Es tut mir Leid, dass sie die letzte Strecke zu Fuß zurücklegen mussten, aber es gibt nun mal keine Straße, die zum Schloss führt und breit genug für ein Auto wäre.«
Keiner der Gäste legte eine Beschwerde ein. Eine blonde Frau, die sich als Christiane Wallbaum vorgestellt hatte, seufzte erleichtert und wies auf ihren überdimensional großen Koffer. »Das Ding war ganz schön schwer«, sagte sie mit überkandidelter Stimme, was den einen oder anderen Lacher provozierte.
»Sie hätten nicht so viel Gepäck mitnehmen müssen«, versicherte Bornier. »Schöne Kleider sind nicht nötig. Rha-Ta-N’my achtet nicht auf solche Äußerlichkeiten.«
»Wer?«, fragte Christiane Wallbaum verwirrt.
»Meine Muse«, rief der Maler, und in seinen Augen flackerte ein Schein, den Bottlinger nur noch als irr bezeichnen konnte. Wieder regte sich Besorgnis in ihm, und er fragte sich, wo das alles hinführen sollte … doch ebenso schnell, wie sie gekommen waren, legten sich seine Zweifel auch wieder.
Bornier ging mit seinen Besuchern in einen Seitentrakt des Schlosses, den Bottlinger noch nie betreten hatte. Dort wies er nacheinander auf vier Türen. »Wählen Sie sich ein Zimmer aus … Der letzte Raum ist ein Doppelzimmer und bleibt unseren Besuchern Nummer fünf und sechs vorbehalten – falls sie noch auftauchen sollten«, fügte er mit knarrender Stimme hinzu.
Christiane Wallbaum mit dem schweren Koffer öffnete als erste eine der Türen und gab im nächsten Augenblick einen entzückten Laut von sich. »Das ist ja … herrlich!«
Bottlinger erhaschte nur einen kurzen Blick, ehe sie im Zimmer verschwand und die Tür hinter sich schloss – doch er fragte sich, was an dieser kahlen Stube herrlich sein sollte. Nicht einmal der Boden war gesäubert worden und schien von einer zentimeterdicken Staubschicht überzogen zu sein.
Er dachte jedoch nicht weiter darüber nach. Vielleicht hatte er sich ja auch getäuscht. Jedenfalls beschwerte sich auch keiner der anderen drei Gäste.
Schließlich standen Bornier und Bottlinger allein auf dem Flur.
»Für Sie habe ich natürlich ebenfalls ein Zimmer hergerichtet. Ich hoffe, es wird Ihnen gefallen.« Bornier sagte es mit einem solchen Desinteresse, dass es seine Worte Lügen strafte.
Der Journalist öffnete eine weitere Tür und hegte keine großen Erwartungen … doch der Mund blieb ihm vor Staunen halb offen. Der Raum war schlicht und einfach herrlich.
Herrlich, dachte er kurz, genau das hat diese Frau Wallbaum gesagt.
Es war, als hätte er den Raum höchstpersönlich mit einer Menge Geld nach genau seinem Geschmack einrichten lassen. Da gab es hohe Bücherschränke aus hellem Holz, die Nischen neben den Fenstern ausfüllten; ein breites Bett, das in einem antiken, gusseisernen Gestell ruhte; einen bequemen Sessel samt Fußschemel, der genau unter einem Dachfenster stand, so dass genügend Licht zum Lesen auf ihn fiel … die Wände waren in einem kräftigen und doch unaufdringlichen Blau gestrichen und mit Holzvertäfelungen versehen.
Er drehte sich zu Bornier um, um diesem ein Kompliment zu machen – doch der Maler hatte sich bereits zurückgezogen.
Nun gut, dann würde er, Bottlinger, eben die Gelegenheit nutzen und sich ein wenig ausruhen. Das hatte er sich redlich verdient.
Er ließ sich auf das Bett fallen. Es war himmlisch weich, das Kopfkissen bequem. Zufrieden schloss der Journalist die Augen.
Dass er in Wirklichkeit auf einer ausgeleierten, muffigen Matratze lag, den Kopf auf einen mit grünem Schimmel überzogenen Fleck drückte, wodurch eine Unzahl Wanzen aufgescheucht wurde, die jetzt über seinen Körper krabbelten – all das nahm Andreas Bottlinger nicht wahr.
4. Kapitel
Christiane Wallbaum stellte ihren schweren Koffer ab, hob die Arme über den Kopf und drehte sich überschwänglich im Kreis.
Sie hatte mit einigem gerechnet, aber nicht mit einem derart wundervollen Zimmer. Eine Menge antiker Holzmöbel, Stühle mit filigranen Schnitzereien, herrliche Ölgemälde an den Wänden … und alles blitzte so sauber, als wäre in einem Sechs-Sterne-Hotel das Zimmermädchen
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