Magic Girls 09 - Der dunkle Verräter
Miranda uns ins HEXIL begleitet. Sie lebt also genau wie wir seit einigen Monaten in der Menschenwelt, und dank ihrer Hilfe haben wir einige hervorragende neue Kenntnisse über die Menschen gewinnen können. Sicher versteht Ihr jetzt, ehrwürdiger Richter, dass wir uns große Sorgen um Miranda machen und dass uns ihr Schicksal keineswegs egal ist. Vielleicht könnt Ihr Kontakt mit den Entführern des Mädchens aufnehmen und sie bitten, Miranda freizulassen. Stattdessen können sie mich als Geisel nehmen, ich biete ihnen also einen Tausch an.«
»Wow!«, entfuhr es Nele. »Das ist aber ganz schön mutig von deiner Oma, Elena.«
Elena wischte sich die Tränen ab. Sie konnte kaum glauben, was Mona da gesagt hatte.
Der Oberste Zauberrichter blickte Mona an. »Wir werdenEuren Vorschlag den Entführern unterbreiten, aber wir wissen natürlich nicht, ob sie sich darauf einlassen werden. Haltet Euch auf jeden Fall bereit, sollten die Entführer auf das Angebot eingehen.«
»Selbstverständlich, Euer Ehren«, sagte Mona und ging auf ihren Platz zurück.
Elena sah ihre Großmutter an und schluckte heftig. Ihr Plan war wirklich heldenhaft. Trotzdem hatte Elena gemischte Gefühle. Sie wollte schließlich auch nicht, dass Mona etwas zustieß. Elena liebte ihre Großmutter, auch wenn sich Mona oft eigensinnig und stur verhielt und man ihr nichts recht machen konnte.
Der Oberste Zauberrichter verkündete, die Gerichtssitzung werde abgebrochen und am kommenden Tag fortgesetzt. Er bat das Publikum, den Saal zu verlassen.
»Komm«, sagte Mona aufmunternd zu Elena. »Lass uns sehen, ob wir hier irgendwo ein Stück Kuchen bekommen. Ihr seht alle so blass aus. Ich glaube, eine kleine Stärkung wäre jetzt ganz gut.«
»Oh ja«, seufzte Elena. »Ich hätte jetzt eine Packung
Sorglos-Kekse
dringend nötig.«
Miranda lag auf einem Felsbrocken und wunderte sich, dass sie auf dem harten Stein hatte schlafen können. Aber sie war einfach zu erschöpft gewesen. Langsam richtete sie sich auf und versuchte, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Wo war ihr Bewacher? Schlief er, oder hatte er sich entfernt, weil er wusste, dass sie nicht fliehen konnte?
Probeweise zerrte Miranda an ihren Fesseln. Der Dämonhatte ihr die Hände und die Füße zusammengebunden. Die Fesseln waren aus einem Material, das Miranda nicht kannte. Sie fühlten sich an wie aus Draht, und sie musste aufpassen, dass sie sich nicht verletzte. Schon die geringste Bewegung genügte, um die Haut aufzuschürfen. Mit Drehen und Drücken kam Miranda nicht weiter, das wurde ihr schon nach wenigen Versuchen klar. Sie erinnerte sich daran, dass sie bei ihrer Vorbereitung aufs Hexendiplom mit Elena auch
Entfesselungszauber
geübt hatte. Dies war eine besonders langweilige und schwierige Lektion gewesen, die überhaupt keinen Spaß gemacht hatte. Ein Erlebnis war Miranda im Gedächtnis geblieben. Elena hatte sich bei einem Zauberspruch versprochen, und – klick! – waren alle Fesseln von ihr abgefallen und in sämtliche Richtungen weggesprungen. Durch Zufall hatte Elena den Zauberspruch verstärkt.
Würde der Spruch auch bei den Dämonenfesseln funktionieren, hier, in dieser fremden Welt? Miranda versuchte, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern. Dann begann sie zu flüstern:
»Fesseln, die fesseln,
Fesseln, die brennen,
Fesseln, die schmerzen,
Fesseln, die hemmen,
Fesseln, die hindern,
Fesseln, die stoppen,
Fesseln, die bremsen,
Fesseln, die ärgern,
gilt es zu sprengen.
Frei will ich sein
wie andere auch,
ungebunden an Bein oder Bauch.«
Elena hatte das Wort »ungebunden« durch »ungefesselt« ersetzt ... Miranda sagte den Spruch mit der Veränderung ganz leise auf.
Sofort lockerten sich die Fesseln an ihren Armen und Beinen. Sie sprangen zwar nicht von allein ab, aber Miranda konnte sie jetzt leicht abstreifen. Sie rieb sich die Handgelenke, um das Blut wieder zum Zirkulieren zu bringen. Innerlich triumphierte sie. Vielleicht war sie doch nicht verloren! Ihre Zauberkräfte schienen es jedenfalls mit denen des Dämons aufnehmen zu können.
Miranda hatte keine Ahnung, wie groß die magischen Kräfte eines Dämons waren. Wahrscheinlich gab es da auch Unterschiede – genau wie bei den Hexen. Vorsichtig blickte sie sich um. Zacharias Malander war nirgends zu sehen. Ob er weggegangen war, um sich etwas zu essen zu besorgen? Vielleicht sogar, um zu jagen? Miranda überlief ein Schauder.
Sie zwang sich, ihre Beklemmung abzuschütteln, und stand auf. Sie
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