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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einzurichten und Kinder zu bekommen, hatte aber nie wieder so geliebt wie damals. Auch Serafina hatte geheiratet, sogar mehr als einmal, ohne aber je ihre kämpferische Natur zu verleugnen, der sie auch auf dem Feld der Politik treu geblieben war.
    Vespasia hatte ihre Schönheit wie auch ihre Klugheit stets dazu genutzt, Gutes zu bewirken, wo sich eine Möglichkeit dazu ergab, sich dabei aber immer im Hintergrund gehalten. Das war nie Serafinas Art gewesen. Nach jenen unruhigen Zeiten hatten sich beider Wege des Öfteren gekreuzt. Bei ihren Reisen in sämtliche Länder Europas war Vespasia ihr außer in London auch in Paris, Rom und Berlin begegnet, gelegentlich im Frühjahr in Madrid oder Neapel, im Herbst in der Provence. Bei solchen Gelegenheiten hatten sie sich über fröhliche und kummervolle Dinge unterhalten, neue Hoffnungen und alte Erinnerungen ausgetauscht.
    Jetzt bestand die Möglichkeit, dass die bevorstehende Begegnung ihre letzte sein würde. Vespasia spürte, wie ihr die Hände bei dieser Vorstellung erstarrten, als sei die Kälte in sie gekrochen, obwohl sie reichlich mit Decken versehen und es im Inneren der Kutsche durchaus behaglich war.
    Sie hielt vor dem Eingang des Hauses in Dorchester Terrace an, der Lakai öffnete Vespasia den Schlag, half ihr beim Aussteigen und gab ihr die Pralinenschachtel. Es waren Sahnetrüffel, denn die aß Serafina am liebsten.
    Sie dankte ihm, bat ihn, mit der Kutsche auf sie zu warten, und ging über den Gehweg auf die Stufen zu, die zur Haustür emporführten. Ihr war bewusst, dass es für einen Besuch genau genommen zu früh war, aber sie wollte mit Serafina allein sprechen, bevor andere Besucher zu einer üblicheren Zeit kamen.
    Der Butler öffnete ihr, und sie gab ihm ihre Karte.
    »Guten Morgen, Lady Vespasia«, begrüßte er sie mit gedämpfter Überraschung. »Bitte treten Sie ein.«
    »Guten Morgen«, gab sie zurück. »Ist Mrs. Montserrat in der Lage, Besuch zu empfangen? Falls es zu früh ist, kann ich später noch einmal kommen.«
    »Aber nein, Mylady. Gewiss wird sie sich freuen, Sie zu sehen.« Er lächelte und schloss die Tür hinter ihr. Sie glaubte aus seiner Stimme etwas herauszuhören, was über Wohlerzogenheit hinausging – möglicherweise hatte darin eine Spur Dankbarkeit gelegen.
    Sie trat in das große Vestibül mit dem herrlichen Parkettboden. Ihr fiel auf, dass eine ausnehmend schöne Lampe den untersten Geländerpfosten der geschwungenen Treppe zierte.
    »Zwar bin ich sicher, dass Mrs. Montserrat bereit ist, Sie zu empfangen, doch werde ich vorsichtshalber rasch nach oben gehen und ihre Zofe fragen«, erklärte der Butler. »Wenn Sie freundlicherweise einstweilen im Empfangszimmer warten würden. Ich werde sogleich zurückkommen. Darf ich Ihnen inzwischen eine Tasse Tee anbieten?«
    »Vielen Dank, sehr gern. Es ist ein garstiges Wetter.« In Wahrheit nahm sie das Angebot lediglich an, um das Unbehagen des Mannes darüber zu vermindern, dass er sie unter Umständen längere Zeit allein lassen musste. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass man Serafina erst für den Empfang der Besucherin herrichten musste.
    Im ungewöhnlich elegant eingerichteten Empfangszimmer war es angenehm warm. Offensichtlich brannte das Feuer im Kamin schon ziemlich lange, denn seine Glut war gleichmäßig, und es erfüllte die Luft mit dem Geruch von Apfelbaumholz. Die in tiefdunklem Grün tapezierten Wände bildeten einen deutlichen Kontrast zu dem hellen Teppich. Bernsteinfarbene Möbel und indischrote Brokatvorhänge milderten die Düsterkeit der Wände. Auch die Sofa- und Stuhlkissen waren zweifarbig, bernsteinfarben und grün. Mit Fransen versehene Seidendecken in den gleichen Farben waren scheinbar achtlos über die Sitzmöbel geworfen. Die Bilder an den Wänden zeigten norditalienische Landschaften: Auf dem einen schimmerte weiß der Montblanc vor einem leuchtend hellen Abendhimmel, ein anderes zeigte die Insel Giulio, wobei das Licht des frühen Morgens auf den Dächern des ehemaligen Bischofspalastes spielte, während das klare Wasser des Orta-Sees mit einem halben Dutzend Booten im Schatten lag.
    Das Ganze war von einem planlos wirkenden Eklektizismus und zugleich voller Leben. Unwillkürlich lächelte Vespasia unter dem Ansturm einer Fülle von Erinnerungen. Sie musste daran denken, wie sie und Serafina sich bei einer Tasse heißer Schokolade in einem Wiener Straßencafé Notizen für eine politische Kampfschrift gemacht hatten. Die Menschen um sie herum

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