Mordswald - Hamburgkrimi
war vielleicht auch kein
Wunder. So eine Verhaftung nahm einen vermutlich ganz schön mit. Max konnte
sich vorstellen, dass die Umgebung Vogler zusetzte, dass dieser Mann, der sich
selbst als ungesellig und als jemanden beschrieb, der gerne seine Ruhe hatte,
unter der ständigen Reglementierung beträchtlich litt, vielleicht mehr als
andere.
"Warum haben Sie nicht schon am Mittwoch gesagt, dass
Sie Frau Leyhausen Dienstagabend noch gesehen haben?", fragte Lina. Es war
das erste Mal, dass sie etwas sagte, und Daniel Vogler musterte sie stirnrunzelnd,
als nähme er ihre Anwesenheit erst jetzt zur Kenntnis.
"Ich rede nicht gerne mit Fremden über meine
Privatangelegenheiten." Er zuckte die Achseln.
"Worüber haben Sie am Dienstag mit Frau Leyhausen
gesprochen?"
"Sie hat mir erzählt, was an dem Tag passiert war, dass
sie im Wald mit so einem komischen Typen aneinandergeraten ist."
"Und was noch?"
"Mehr nicht."
"Hat Sie Ihnen nicht erzählt, wieso Sie mit dem Mann
aneinandergeraten ist?"
"Nein." Daniel Vogler musterte interessiert seinen linken
Ringfinger.
"Und Sie haben auch nicht danach gefragt?"
"Nein."
Max schwieg. Er musste zugeben, dass die lakonische Art, mit
der Vogler die Fragen parierte, ihn beeindruckte.
"Franziska Leyhausen hat Ihnen erzählt, dass sie am
Donnerstagabend Philip Birkner getroffen und mit ihm rumgemacht hat",
sagte Lina. Im ersten Moment ärgerte Max sich über ihre polterige Art, doch
dann sah er, wie Daniel Vogler die Stirn runzelte.
"Nein."
"Doch. Sie wissen schon, rumkichern, knutschen, anfassen
… das Übliche eben." Lina hatte sich ein Stückchen vorgebeugt. "Es
hat ihr Spaß gemacht, das hat sie mir am Dienstag erzählt."
"Nein."
"Sie wollte mit Philip in den Wald, um sich ein stilles
Plätzchen zu suchen. Sie wissen schon … wo die beiden ihre Ruhe hatten."
"Nein!"
"Sie sind eng umschlungen durch den Wald gelaufen, und
Philip hat Franka immer wieder geküsst. Und durchs Haar gestrichen. Und Franka
hat ihn zurückgeküsst."
"Nein! Hören Sie auf!"
"Dann hat er ihre Brüste angefasst und …"
"Sie sollen aufhören, hab ich gesagt!" Daniel
Vogler hielt sich die Ohren zu. Die Augen hatte er fest zusammengekniffen, den
Oberkörper vornübergebeugt.
"Das hat sie Ihnen am Dienstag doch auch erzählt",
sprach Lina weiter, ohne den Mann aus den Augen zu lassen, der sich auf dem
Stuhl nur stumm hin und her wiegte wie ein Kind. "Vielleicht haben Sie ja
auch zugesehen, wie Philip sie angefasst hat, ihre Brüste, ihren Rücken, ihren
Po …"
"Hören Sie auf! Bitte!" Auf seiner Stirn standen
dicke Schweißperlen, und er atmete stoßweise ein und aus.
Eine Weile sagte niemand etwas, und Daniel Vogler beruhigte
sich langsam wieder.
"Hat Frau Leyhausen Ihnen erzählt, was am Donnerstag
letzter Woche zwischen ihr und Philip Birkner vorgefallen war?", fragte
Max schließlich leise.
Daniel Vogler saß immer noch zusammengekauert da. Die Hände
vors Gesicht geschlagen, nickte er langsam.
"Wusste Frau Leyhausen, dass Sie Herrn Birkner aus der
Schule kannten?"
Vogler schüttelte den Kopf.
"Dann konnte sie also auch nicht wissen, was Birkner
Ihnen angetan hat."
Max spürte, dass der andere sich erneut verschließen wollte.
"Sie konnte nicht wissen, dass Philip Sie genauso angefasst hat, wie er
jetzt Ihre Freundin angefasst hat."
Vogler zuckte zusammen.
"Das muss wehgetan haben, die beiden so zu sehen."
Die Schweißperlen auf Voglers Stirn zitterten.
"Philips Stimme zu hören, ihn zu sehen, Franka zu
beobachten, wie sie seine Berührungen …"
"Ich hab sie nicht gesehen! Ich war nicht dabei! Ich hab
sie nicht gesehen!" Vogler schaukelte den Oberkörper hektisch vor und
zurück und hatte die Hände so heftig vors Gesicht gepresst, dass die
Fingerknöchel weiß hervortragen. Sein linker Zeigefinger blutete. "Sie hat
es mir erzählt! Alles! Dass sie mit Philip … Mit Philip!" Er stieß einen
erstickten Schrei aus. "Mit Philip, mit diesem, diesem, diesem …"
Seine Stimme erstarb.
"Was geschah, nachdem Sie am Dienstag mit Franziska
Leyhausen das Restaurant verlassen haben?", fragte Max.
"Wir sind in den Park gegangen. Sie hat immer noch geredet.
Sie hat gar nicht wieder aufgehört. Immer wieder hat sie davon erzählt, wie sie
mit Philip in den Wald gegangen ist. Wie sie … wie sie … " Er schluckte.
"Wie sie sich geküsst haben. Wie …" Er schaukelte erneut vor und
zurück.
"Und dann?" Als Vogler nichts sagte, sagte Max:
"Hat sie erzählt, was Philip mit ihr gemacht
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