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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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niemandem reden zu können außer mit den Schafen?«
    »Ich mag Schafe«, sagte Naomi. »Du wirst einen Hund brauchen, Schatz«, sagte ihre Mutter.
    »Hunde sind lästig«, gab Harriet zu bedenken. »Was machst du, wenn du mal in Urlaub fahren willst?«
    »Ich mag Hunde«, gab Naomi zurück. »Hunde lieben einen bedingungslos.«

36
    IN JOHNS HALS ZWICKTE UND ZWACKTE ES  – ein nervöses Muskelzucken, das sich auch überall in seinen Eingeweiden breitmachte. Er konnte nicht länger als ein paar Sekunden stillsitzen. Einerseits wünschte er, all das wäre endlich vorbei, andererseits sorgte er sich ernsthaft um Naomi und die Babys. Um das, was ihnen bevorstand.
    Man hatte ihm einen Stuhl neben den Operationstisch gestellt und dort saß er nun, streichelte Naomis Stirn und starrte das grüne Tuch an, das quer über ihre Brust gespannt worden war und die Sicht auf die Geschehnisse dahinter versperrte.
    Sie warteten darauf, dass die Rückenmarksnarkose ihre volle Wirkung entfaltete. John blickte auf das große weiße Zifferblatt der Uhr im Saal. Fünf Minuten waren vergangen. Er lächelte Naomi an.
    »Wie geht’s dir, Schatz?«
    Sie sah so verletzlich aus in dem weiten Krankenhaushemd, mit dem Tropf im Handgelenk und dem Plastiknamensschild. Ein Spuckebläschen bildete sich in ihrem Mundwinkel, und er tupfte es mit einem Papiertuch ab.
    »Ganz gut«, antwortete sie sehr leise. »Ich bin froh, wenn es endlich …« Sie rang sich ein Lächeln ab und schluckte nervös, die Augen weit geöffnet. Manchmal waren sie grün, manchmal braun – im Moment schienen sie beides zu sein. Dann erstarb ihr Lächeln und ein ängstlicher Ausdruck flackerte auf.
    »Ich auch«, sagte er. »Ich bin auch froh, wenn …«
    Wenn was?,
fragte er sich.
Wenn das Warten vorbei ist? Wenn die Babys auf der Welt sind und wir allmählich herausfinden, was Dettore wirklich mit ihnen angestellt hat? Oder wir mit unseren Entscheidungen konfrontiert werden
. »Was passiert jetzt gerade?«, fragte Naomi.
    »Nichts, wir warten noch.«
    John stand auf. Der OP wirkte überfüllt mit Gestalten in grünen Kitteln, von denen die meisten unbeschwert miteinander plauderten wie auf einer Cocktailparty. John versuchte, sich daran zu erinnern, wer sie alle waren. Der Chefarzt, ein zweiter Gynäkologe, der Kinderarzt, der Anästhesist, der Assistenzanästhesist, Krankenschwestern, die Hebamme. Aus der OP -Lampe fiel grelles Licht auf Naomis entblößten dicken Bauch. Eine Phalanx medizinischer Geräte zeigte irgendwelche Messergebnisse an.
    Der Anästhesist, ein jovialer, gewissenhafter Mann namens Andrew Davery berührte Naomis Bauch mit einem Wattebausch. »Spüren Sie das?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Anschließend piekte er sie mit einem spitzen Instrument. »Und das?«
    Wieder verneinte sie.
    Davery griff nach einer Sprühflasche und sprayte einen kräftigen Wasserstrahl oben auf ihren Bauch, dann rechts und links neben den Nabel. Naomi zuckte nicht mit der Wimper.
    »In Ordnung«, sagte der Anästhesist, an den Gynäkologen gewandt. »Von mir aus kann’s losgehen.«
    Der Chefarzt der Gynäkologie am Royal Sussex County Hospital, Dr. Des Holbein, war ein stämmiger Mann Mitte vierzig mit Brille und dunklen Haaren. Er hatte einen Bürstenschnitt und ein ernstes und seriöses, aber freundliches Gesicht. Weder er noch irgendjemand sonst wusste von der Geschichte mit Dr. Dettore, doch Holbein war den Klaessons, besonders Naomi, in den vergangenen sieben Monaten eine große Stütze gewesen.
    John kam es vor, als seien in diesen letzten sieben Monaten Arztpraxen, Kliniken und Krankenhäuser zu einem Teil ihres Lebens geworden.
    Naomi hatte eine anstrengende Schwangerschaft hinter sich. John hatte es sich zur Aufgabe gemacht, so viel wie möglich über das Phänomen der doppelten Gebärmutter in Erfahrung zu bringen, und er und Naomi hatten sich immer und immer wieder, bis zur Erschöpfung und darüber hinaus dieselbe Frage gestellt: Warum hatte ihnen Leo Dettore nichts von dieser Anomalie erzählt – und warum hatte er zwei Eizellen eingepflanzt?
    Und warum hatte Dr. Rosengarten in Los Angeles auf dem Ultraschallbild nicht erkannt, dass Naomi mit Zwillingen schwanger war? Als sie ihr Unverständnis gegenüber Des Holbein äußerten, erwiderte er, dass dies zu diesem frühen Zeitpunkt leicht habe passieren können, wenn der Junge nicht richtig gelegen und das Mädchen ihn verdeckt habe und Rosengarten – wie er ihren Worten entnahm – in Eile gewesen

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