Nur Fuer Schokolade
großen Ärger mit den Beamten im Gefängnis, weil ich meine Kleidung nicht mehr hatte. Sie müssen heute nachmittag unbedingt in das Gefängnis gehen und die Sache regeln!« macht er seinem Ärger Luft. Erst als die Dolmetscherin Leszek zu verstehen gibt, daß sie heute nachmittag sowieso in das Gefängnis gehen werden, beruhigt er sich wieder.
Sie setzen sich an den Tisch zu den Beamten und verstehen die ganze Aufregung noch nicht. Fest stand doch, daß der Anstaltsleiter die Genehmigung für den Kleidungstausch erteilt hatte – war damit nicht alles erledigt? Was sie nicht wissen konnten: als Leszek nach dem Interview wieder in seine Zelle gesteckt wurde, hatten die beiden Beamten, die die Geschehnisse mitverfolgt hatten, Feierabend. Sie hatten es versäumt, ihre Kollegen davon zu unterrichten, welche Genehmigungen die Anstaltsleitung erteilt hatte – und natürlich auch, daß Leszek seine Kleidung ausgetauscht hatte.
Was die Fernsehleute nicht wissen konnten, war, daß die Gefangenen, bevor das Licht ausgeschaltet wird, ihre Oberbekleidung vor die Zellentür legen müssen. Diese Vorsichts-maßnahme soll eine Flucht aus der Anstalt erschweren. Alle lachen herzhaft, als ein Polizeibeamter sagt: »Das Tollste war natürlich: niemand wußte von Ihrem Kleidertausch. Als wir dann den anderen Jogginganzug vor der Zelle liegen sahen, waren wir von einem Fluchtversuch Leszeks überzeugt.« Er fährt fort, stets lacht er dabei: »Was er uns auch sagte, wir glaubten ihm kein Wort. Welcher Gefangene durfte auch schon seine Anstaltskleidung gegen einen Jogginganzug austauschen?
So durchsuchten wir das ganze Gefängnis nach seiner Kleidung und als wir sie nicht finden konnten, ließen wir die ganze Nacht in der Zelle 53 das Licht brennen und überprüften diese halbstündig.«
Die Dolmetscherin geht noch einmal auf Leszek zu und erklärt ihm, daß noch am Nachmittag alles im Gefängnis aufgeklärt werde. Langsam beruhigt er sich.
Am Nachmittag fährt die Dolmetscherin mit ihrem Begleiter im Taxi zum Gefängnis. Immer noch sind alle heiter, der Fahrer wundert sich – wer scherzt schon laufend, wenn er auf dem Weg ins Gefängnis ist? Dort angekommen, steuern sie auf den Eingang zu und klingeln. Minuten vergehen, doch niemand öffnet die kleine Luke an der Tür.
Plötzlich bemerken sie die Blicke der umstehenden Frauen, die das aggressive, selbstbewußte Klingeln nicht einordnen können. Sie warten bereits seit Stunden vor dem Gefängnistor, doch nichts rührt sich für sie. Die Neuankömmlinge aber tun so, als würden ihnen Tür und Tor offenstehen. »Na, wohl keine Zeit?« wird plötzlich aus dem kleinen Schlitz der Tür gerufen und zwei dunkle Augen blicken nach draußen. Der Ausdruck zeigt: man ist nicht sehr erfreut über die Klingelei. Trotzdem: kurz nachdem sich die Besucher ausgewiesen und nach dem Direktor verlangt haben, wird ihnen zur Verwunderung der umstehenden Frauen blitzschnell die Türe geöffnet. »Bitte, nehmen Sie doch Platz, der Herr Direktor läßt Sie gleich rufen!« sagt der Schließer, und schon stehen in der kleinen Pförtnerloge zwei Stühle bereit.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, was heute los ist.
Heute ist Besuchstag und das ist die Hölle für uns!«
Während der Beamte erzählt, welch überdimensionales Arbeitspensum er an solchen Tagen zu erledigen hat, müssen sie an die Frauen denken, die vor der Eingangstüre warten. In der kleinen Einbahnstraße befindet sich direkt gegenüber dem Eingang des Gefängnisses ein kleines Wartehäuschen, ähnlich dem einer Bushaltestelle. Der überdachte Raum ist überfüllt von Frauen mit kleinen Geschenkkartons in der einen und ihren Kindern an der anderen Hand.
Jeder, der die Straße entlanggeht, mustert die Frauen, die gesenkten Hauptes versuchen, die Kinder abzulenken, damit sie diese entwürdigende Prozedur nicht mitbekommen. Slupsk ist eine kleine Stadt und es kennt jeder jeden. Was muß in diesen Frauen vorgehen, die niemandem etwas getan haben, außer mit einem Mann verheiratet zu sein, der im Gefängnis sitzt? Vielleicht entschuldigen sie die Taten ihrer Männer und denken, sie haben es nur für ihre Familien getan. Nun haben diese Frauen keinen Ernährer mehr, der für die Familie sorgt, dennoch haben sie Geschenke mitgebracht. Der Beamte wendet sich seinen Besuchern zu. Offensichtlich hat er bemerkt, wie traurig sie diese Situation finden.
»Ich kann ja auch nichts dafür, daß die oft Stunden warten müssen, bis sie
Weitere Kostenlose Bücher