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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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sich brav auf ihren Stuhl, öffnete die Schulmappe,
nahm ihr Mathematikbuch, schlug es auf und tat so, als wenn sie sich in die
hochinteressanten Grundlagen der Zinseszinsrechnung vertiefen würde.
    „Mensch, Katrin, hab dich nicht
so!“ rief Silvy.
    Katrin warf ihr einen schiefen
Blick zu. „Du solltest dankbar sein, daß ich dich nicht mit meinem Privatleben
belästige.“
    „Na schön“, sagte Silvy
ergeben, „ich sehe schon, worauf du raus willst. Von mir aus sollst du deinen
Willen haben. Ich bitte dich hiermit also in aller Form um Entschuldigung für
meine...“ Sie steckte die spitze Nase in die Luft und betonte die nächsten
Worte so affektiert wie möglich, um ihre Niederlage ins Komische zu ziehen...
„vorwitzige Bemerkung und versichere dir, daß sie mir nur entschlüpft ist, weil
ich es vor lauter Spannung nicht mehr aushalten konnte!“
    Katrin erhob sich, legte Silvy
die Hand auf die Schulter und erklärte feierlich: „Es sei dir vergeben!“
    Die anderen lachten und
schrien: „Weiter, weiter!“
    Katrin reckte sich auf die
Zehenspitzen und fuchtelte mit den Händen über die Köpfe der anderen hinweg:
„Also, wo war ich stehengeblieben?“
    „Bei den Raten, die deine
Großmutter zahlen wollte!“ piepste Ruth.
    „Ach ja. Sie holte also ihre
Geldbörse aus der obersten Kommodenschublade im Wohnzimmer, wo sie sie immer
aufbewahrt, wollte sie in ihre Handtasche stecken und machte sie vorher... rein
zufällig... noch einmal auf und, was soll ich euch sagen?“ Katrin machte eine
kleine Pause, um die allgemeine Spannung auf den Höhepunkt zu treiben.
    „Das Geld war weg!“ rief
Leonore, ganz im Gegensatz zu ihrer sonst eher zurückhaltenden Art.
    Katrin sah sie ganz verblüfft
an. „Woher wußtest du das?“
    „Aber ich bitte dich, Katrin,
du hast doch gleich zu Anfang, als du in die Klasse kamst, gesagt, daß deine
Großmutter bestohlen worden ist!“

    „So, hab ich das? Na, dann war
es auch kein Kunststück zu raten, daß das Geld futsch war. Aber nun paßt auf,
wie es weitergeht...“
    Inzwischen hatte Olga Helwig
die Klasse betreten, hatte nur den letzten Satz mitgekriegt und fragte: „Wovon
redest du eigentlich? Ich verstehe kein Wort!“
    Katrin schlug sich in
gespielter Verzweiflung die Hand vor die Stirne. „Nein“, rief sie, „nein!
Niemand kann von mir verlangen, daß ich euch jetzt die ganze Geschichte noch
einmal erzähle!“ Olga war sofort tief gekränkt. „Meinetwegen bestimmt nicht“,
sagte sie, „es genügt, wenn die anderen Bescheid wissen. Auf mich kommt es
wirklich nicht an.“ Sie zog sich auf ihren Platz zurück.
    „Nun stell dich nicht an,
Olga“, rief Silvy, „wir erzählen dir’s später! Also sag, Katrin, woher weißt du
denn, daß das Geld wirklich gemopst war? Deine Großmutter könnte es doch auch
verlegt haben... oder deine Mutter...“
    „Es waren dreihundert Mark, so
was verlegt man nicht einfach“, erklärte Katrin mit Nachdruck, „außerdem habe
ich natürlich sofort meine Mutti angerufen. Die war ganz schön erschrocken,
kann ich euch sagen! Nein, sie hat das Geld nicht gesehen!“
    „Bist du vielleicht selber
nicht ganz mit deinem Taschengeld ausgekommen?“ rief eine andere Schülerin, die
außen im Kreis stand; sie duckte sich dann aber rasch, um den strafenden
Blicken der anderen zu entgehen.
    Katrin tat, als wenn sie diese
Bemerkung überhört hätte. „Es steht ja längst fest, daß das Geld geklaut worden
ist“, sagte sie, „und wir wissen sogar von wem...“ Wieder legte sie eine kleine
Pause ein, aber diesmal verdarb ihr niemand den Spaß.
    Alle starrten die Erzählerin
ganz gebannt an.
    „Von einer Frau“, erklärte
Katrin, „einer komischen Frau, die meine Großmutter gestern morgen aufgesucht
hat. Sie sagte, sie käme vom Rentenamt und wollte ihr zu einer günstigeren
Berechnung ihrer Rente verhelfen. Natürlich hat meine Großmutter sie
hereingelassen und ins Wohnzimmer geführt, und dann hat sie, die fremde Frau,
plötzlich gebeten, ob sie nicht ein Glas Wasser haben könnte, aber recht kalt
sollte es sein, und da ist meine Großmutter in die Küche gegangen und hat den
Hahn lange laufen lassen, damit das Wasser nur ja kalt würde, und inzwischen
hat die Frau das Geld aus der Börse geklaut...“ Sie mußte Luft holen und sah
sich triumphierend im Kreis ihrer Zuhörerinnen um.
    Eine fremde Frau! Ruth dachte
an die komische Dame mit Perücke, die am Samstag nach der alten Frau Bär
gefragt hatte, und ihr wurde ganz

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