Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
als seien die beiden allein im Zimmer. »Trink einfach nur.«
Hazel hob das Glas an die Lippen, und Gemma tat es ihr gleich. Der Whisky hatte einen vollen, öligen Geschmack, er lag wie geschmolzene Butter auf der Zunge und hinterließ glänzende Schlieren an der Innenseite des Glases.
»Donald«, flüsterte Hazel. »Das hättest du nicht tun sollen. Nicht für mich. Ich –«
Das Läuten der Türklingel zerriss die Stille im Raum. Louise, die, wie Gemma bemerkt hatte, mit zusammengekniffenen Lippen dagestanden und ihren Whisky nicht angerührt hatte, ging hinaus. Aus der Diele waren gedämpfte Stimmen zu hören. Dann kam Louise zurück.
»Donald, da will dich jemand sprechen.«
»Mich?« Er schien vollkommen überrascht.
»Du solltest besser hingehen.«
Ein besorgter Ausdruck huschte über sein Gesicht, als er Louises Tonfall registrierte, doch dann lächelte er Hazel zu und ging äußerlich ganz gefasst hinaus. Nach einer Weile waren draußen vor dem Haus Stimmen zu hören – Donalds polternder Bass und als Kontrapunkt dazu eine schrille weibliche Stimme.
Die Vorhänge im Wohnzimmer waren noch nicht geschlossen, obwohl der Himmel sich schon zu einem fahlen Holzkohleton verdunkelt hatte, durchbrochen nur von einem rosigen Schimmer im Westen. Getrieben von Neugier und einem vagen Gefühl der Beklommenheit stand Gemma auf und trat ans Fenster. Als sie hinausspähte, registrierte sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung an ihrer Schulter. Hazel hatte sich zu ihr gesellt.
Donald stand in der Einfahrt und sprach mit einer Blondine in einem sehr kurzen Rock. Die Frau hatte ein kleines Mädchen an der Hand, dessen Gesicht in der Dämmerung nur als verschwommener heller Fleck zu erkennen war. Die angespannte Körperhaltung der Frau sprach eine deutliche Sprache – sie kochte vor Wut. Donald schüttelte nur immer wieder den Kopf und hob beschwichtigend die Hände.
Eine Bewegung am Rand der Einfahrt zog Gemmas Blick von den Streitenden ab. Dort, halb verborgen im Schatten der Hecke, stand ein schlanker junger Mann im Kilt und verfolgte regungslos die Szene.
6. Kapitel
O pfeif nur, mein Liebster, und schon lauf ich zu dir;
O pfeif nur, mein Liebster, und schon lauf ich zu dir;
Ist der Vater, ist die Mutter noch so böse mit mir –
O pfeif nur, mein Liebster, und schon lauf ich zu dir.
Robert Burns
Es war die längste Mahlzeit, die Gemma je erlebt hatte. John und Louise hatten sie alle ins Esszimmer gescheucht, während Donald noch draußen vor der Tür gewesen war – angeblich, weil die Brie-Selleriesuppe sofort gegessen werden musste.
»Sobald der Käse geschmolzen ist – das ist das Geheimnis«, behauptete John mit größerer Eindringlichkeit, als es einer bloßen Suppe angemessen schien.
Sie waren schon fast mit dem ersten Gang fertig, als Donald endlich wiederkam. »Tut mir Leid«, sagte er beiläufig, als er neben Hazel am Tisch Platz nahm, doch sein Lächeln wirkte gezwungen.
Niemand gab der Versuchung nach, ihn zu fragen, wer die Frau gewesen war, und er sprach auch nicht von sich aus darüber. Das Klappern der Löffel auf dem Porzellan klang unnatürlich laut. Heather war deutlich anzusehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete, während sie Donald beobachtete; Martin starrte ihn mit unverhohlener Neugier an, und Pascal musterte ihn mit amüsierter Distanz. Hazel sah ihn gar nicht an.
Aber als John und Louise hereinkamen, um die Suppenteller einzusammeln, lächelte Louise Hazel an und berührte sie leicht an der Schulter, während sie sich über den Tisch beugte. Begann sie vielleicht, so fragte sich Gemma, ihr Mitgefühl für Hazel zu entdecken, jetzt, da
sie
es zu sein schien, der Unrecht angetan wurde?
Und lag da etwa eine gewisse Schadenfreude in Heather Urquharts Lächeln? Wie viel wusste sie über Donalds Beziehung zu Hazel? War es möglich, dass sie das Ganze inszeniert hatte, um Donalds Plan zu sabotieren? Allerdings konnte es nur in Hazels Interesse sein, wenn Donald ihr sein wahres Gesicht zeigte, dachte Gemma bei sich. Doch der Anblick ihrer Freundin, deren Züge vor Kummer wie erstarrt wirkten, ließ sie an ihrem eigenen Urteil zweifeln.
Nun brachte John den gegrillten Lachs, der in der Tat so gut war, wie er es ihnen versprochen hatte, doch Gemma, die nur sah, wie Hazel ihre Portion lustlos auf dem Teller hin und her schob, musste feststellen, dass auch sie den Appetit verloren hatte.
Sie war einigermaßen überrascht, als Martin Gilmore schließlich einen tapferen Versuch unternahm,
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