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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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eifersüchtig zu machen, und weil Higgins am selben Abend mit Wendy Morris ausging. Das war dumm gewesen, ja, aber noch dümmer war es, mit ihm und einer Flasche Southern Comfort auf die Rückbank zu klettern. Es ging alles so schnell. Küsse, Grapschen und sein klammes Pressen im Dunkeln. Dann die Proteste, und plötzlich waren ihre Hände hinter dem Kopf festgepinnt und ihre Beine gespreizt.
    »Jetzt gibt es kein Zurück mehr«, flüsterte ihr Danny ins Ohr.
    Dann kam der Schmerz.
    Oh, ja, Annie Lamberts erstes Mal hatte scheußlich wehgetan, aber es war so schnell vorbei gewesen, dass sie sich in ihrer alkoholbedingten Benebelung fragte, ob es überhaupt passiert war.
    Das Blut auf ihrem Höschen, als sie nach Hause kam, verriet ihr, dass es passiert war. Aber Danny Gibbs hatte auch zu ihr gesagt, dass er sie liebte und sie noch am selben Abend zum Abschlussball eingeladen, und er hatte gesagt, er könne es nicht erwarten, sie wiederzusehen. Annie sagte nichts und schoss aus seinem Auto, um ihre mitternächtliche Sperrstunde einzuhalten. Sie duschte und wusch ihr Höschen aus, und dann ging sie ins Bett, ohne ihren Vater zu wecken, der mit Rally vor dem Fernseher eingeschlafen war. Und wäre ihr Bruder James nicht mit seinem Cousin bei einer Traktorschau gewesen, hätte Annie vielleicht schon an diesem Abend Farbe bekennen müssen.
    Allein im Dunkeln weinte sich Annie Lambert später dann in den Schlaf. Sie war verwirrt und schämte sich und gab Danny Gibbs die Schuld an dem, was passiert war, obwohl sie gleichzeitig ihre Mutter bat, ihr aus dem Grab heraus zu verzeihen. Und bis zum folgenden Montag hatte Annie Lambert beschlossen, den Zwischenfall zu vergessen. Sie hatte akzeptiert, was ihre eigene Schuld bei der ganzen Sache war, und schwor sich, nie wieder so dumm zu sein, was Jungs anging.
    Aber als Danny Gibbs vor der ersten Stunde zu ihr an den Spind kam, sagte Annie, er solle verduften, und dann schlug sie ihm ins Gesicht, als er sie eine Nutte nannte. Danny war schlau genug, nicht vor seinen Freunden mit seinem kleinen Rendezvous mit Annie Lambert auf dem Rücksitz seines Camaro anzugeben, denn auch wenn ihr Bruder James zwei Jahre jünger war als er, hatte sich der einen Meter fünfundachtzig große Sechzehnjährige bereits einen Namen als der härteste Junge an der Wilson High gemacht.
    Und wäre einige Wochen später nicht Annies Periode ausgeblieben und hätte sie nicht kurz danach angefangen, sich morgens zu übergeben, dann hätte die Ohrfeige, die sie Danny Gibbs verpasst hatte, gut das Ende der Geschichte sein können. Ein Besuch bei der Schulkrankenschwester bestätigte jedoch, was Annie bereits wusste, und sie ließ ihren Vater in der Küche Platz nehmen und erzählte ihm unter Tränen alles, was passiert war. Und nach einem langen Schweigen bekam Claude Lambert keinen Wutanfall, wie sie vielleicht gedacht hatte, sondern überraschte seine Tochter mit der größten Zahl an Worten, die er je in einem Stück zu ihr gesagt hatte.
    »Ich schätze, es ist auch meine Schuld«, sagte er. »Ich habe es immer deiner Mutter überlassen, dich zu disziplinieren, obwohl ich wusste, es wäre an mir gewesen, dir die Richtung vorzugeben. Ich hätte mehr mit dir reden sollen, oder zumindest anders. Das hätte vielleicht geholfen, aber ich habe das alles nicht kommen sehen. Ich hätte dir in diesen letzten Jahren auch nicht so viele Freiheiten lassen dürfen.« Dann erneut ein langes Schweigen, nach dem er schlicht sagte: »Keine Sorge, Annie. Ich kümmere mich um die Geschichte.«
    Und das war es.
    Andererseits musste der Alte ihren Bruder gar nicht sehr bearbeiten, damit der zur Schrotflinte griff und sich Danny Gibbs vorknöpfte. Er musste eigentlich nichts tun, als ein paar Andeutungen über »Familienehre« und »Pflicht eines Mannes« fallen zu lassen, damit James schnurstracks in Danny Gibbs’ Wohnanhänger spazierte und ihm beim Atari-Spielen den Schädel wegblies.
    Jeder, der die Lamberts kannte, hielt James innerlich wie äußerlich für eine exakte Kopie seines Vaters. Von schwerfälligem Körperbau, mit großen Händen und einem brütenden, stillen Wesen. Und er verehrte den Alten wie Jesus Christus persönlich und hätte hundert Danny Gibbs erschossen, wenn ihn der alte Lambert darum gebeten hätte. Ihre Beziehung war eine, die Annie für alle Zeit verschlossen bleiben würde, ein großes Rätsel, das sich in stundenlangem Ballfangen im Garten und Jagdausflügen nach Virginia herausgebildet hatte.

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