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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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beobachtete sie. Er hatte sich umgezogen, trug jetzt modische Chinos und ein blaues Rugby-Shirt, in den Händen hielt er ein Silbertablett. Mit dem Kopf wies er auf das Foto, während er ins Zimmer kam.
    »Ich mach sie überall, wo ich bin. Im Gras, im Schnee. Ich hab sogar mal eins mit Spiegeln gebaut.«
    Harry wandte sich dem Foto zu. Die verwirrenden Wirbel, das erkannte sie nun, ordneten sich zu Wegen und Sackgassen. Ähnliche Labyrinthe hatte sie auch als Kind gezeichnet.
    »Was heißt einfach zusammenhängend?«, fragte sie.
    »Jeder Weg, den du nimmst, führt entweder in eine Sackgasse oder zu einem anderen Weg.« Klappernd setzte er das Tablett auf dem Beistelltisch ab. »Die Wege sind untereinander nicht mehrfach miteinander verbunden, es ist also ein Labyrinth, das am einfachsten zu lösen ist.«
    Blinzelnd betrachtete Harry das Labyrinth und versuchte, einem der Wege zu folgen, aber bald verschwammen sie ihr vor den Augen. Sie gab es auf.
    »Wusste gar nicht, dass du so auf Labyrinthe stehst«, sagte sie.
    »Hast du dich nie gefragt, wie ich meine Firma benannt habe?«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Lúbra ist Gälisch für Labyrinth«, sagte er.
    Sie lächelte. »Hübsch.«
    Dann sah sie zum Tablett. Darauf befanden sich eine Flasche Brandy, zwei bauchige Kristallgläser und ein Teller mit einem hohen Stapel Sandwiches. Ihr knurrte der Magen. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
    Sie griff sich ein Sandwich und lümmelte sich auf einen der Sessel. Dillon reichte ihr einen Brandy. Mit einem Lüpfen der Augenbrauen quittierte er ihre Jeans und das Männerhemd, sagte aber nichts.
    Harry nahm einen Schluck. »Hör zu, das mit Ashford tut mir leid.« Sie holte tief Luft. »Und das davor auch. Dass ich dir keinen Piep gesagt habe. Manchmal bin ich eben so.«
    Dillon machte sich über ein Sandwich her. »Schon okay, du musst mir nicht alles erzählen, wenn du nicht willst.«
    Harry seufzte. Warum nicht gleich die Karten auf den Tisch legen? »Es geht um meinen Vater. Ich glaube, es hat mit ihm zu tun.«
    Dillon runzelte die Stirn. »Was? Der Einbruch?«
    »Alles.«
    »Auch der Typ im Bahnhof? Aber das ist ja verrückt. Warum?«
    »Wegen dem, was der Typ gesagt hat. Der Sorohan-Deal, der Trading-Ring. Es weist alles auf meinen Vater hin.«
    »Versteh ich nicht.«
    Sie wich seinem Blick nicht aus. »Der Sorohan-Deal, das war die Sache, bei der mein Vater aufflog und ins Gefängnis musste.«
    »Ah, verstehe. Aber was …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Stell mir keine weiteren Fragen, ich hab selbst noch nicht alles verstanden. Aber du weißt ja, wie ich auf meinen Vater reagiere.«
    Dillon rollte mit den Augen. »Ja. Kratzbürstig.«
    Sie lächelte und zuckte mit den Achseln. »Nun ja.«
    »Hast du das auch der Polizei erzählt?«
    Harry sah wieder den stummen Detective vor sich, der in ihre Wohnung gekommen war. Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Sonst fangen sie vielleicht wieder damit an, in dem Fall zu ermitteln.«
    »Na ja, er ist doch schon im Gefängnis. Was soll ihm noch passieren?«
    Harry legte ihr Sandwich weg. Plötzlich hatte sie keinen Hunger mehr. »Er kommt raus.«
    »Ich dachte, man hätte ihm acht Jahre aufgebrummt.«
    »Straferlass.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Er könnte jederzeit freikommen.«
    Dillon schien nachzudenken. »Wenn in dieser Sache also erneut Ermittlungen aufgenommen werden, liegt sein Straferlass auf Eis?«
    »Oder wird ganz gestrichen.«
    Schweigen. Sie spürte Dillons Blick auf sich.
    »Du solltest mit deinem Vater reden«, sagte er. »Das sage ich dir seit Monaten.«
    Sie schüttelte den Kopf und starrte auf ihr Glas, nahm es in die Hand und ließ die goldene Flüssigkeit kreisen. »Als ich klein war, hab ich ihn für einen wundervollen Menschen gehalten. Er hat immer tolle Versprechungen gemacht, und wenn er sie gehalten hat, war es einfach wunderbar.« Mit einem Fingernagel fuhr sie durch die Rillen des geschliffenen Kristalls. »Sie waren dann fast die Enttäuschung wert, wenn er sie mal wieder vergessen hat.«
    »Klingt, als hättet ihr euch beide sehr nahegestanden.«
    Sie lächelte. »Da war meine Schwester Amaranta nicht ganz unschuldig. Als ich fünf war, hat sie mir erzählt, meine Eltern hätten mich als Baby auf der Straße gefunden. Sie würden mich eine Weile lang behalten, aber später irgendwann hätten sie vor, mich an die Nachbarn zu verkaufen.«
    Dillon lachte. »Das ist typisch für große Schwestern.«
    »Das Problem war nur,

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