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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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seinen Ansichten, aber er wird handgreiflich und macht sich zum Richter über andere. Sven verweigert seine Hilfe, ist gemein und boshaft und nützt die Not anderer Menschen für sich aus. Ivar ist gleichgültig und besitzt kein Mitgefühl. Ich sage, Per ist am besten, dann kommen Stina, Ivar, Gustav und am Ende Sven.«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein – dass Ivar besser ist als Gustav?«, rief Åsa aus. »Er hätte doch ohne irgendeine Anstrengung Sven zurechtweisen und Stinas Problem lösen können?«
    »Ja, Gustav ist in gewisser Weise sogar der Allerbeste, aber tatsächlich ist er hier der Einzige, der ein Verbrechen verübt. Man kann schließlich nicht einfach, wie man will, über irgendwelche Leute herfallen. Und Gleichgültigkeit ist schließlich kein Verbrechen«, fügte Sjöberg hinzu und hatte plötzlich ein Déjà vu.
    »Aber wie kannst du Per vor Stina setzen? An Stinas Verhalten kann man doch wirklich nichts Böses finden, oder?«
    »Per gefällt nicht, was Stina getan hat, und darum macht er einfach Schluss. Das ist sein gutes Recht. Er ist im Grunde ja gar nicht in die Geschichte verwickelt. Und Stina benimmt sich wirklich richtig dämlich, finde ich jedenfalls.«
    »Aber sie hat doch nur das Beste gewollt. Aber eigentlich hast du recht. Man selbst würde nie so handeln. Ja, rein gutmenschentechnisch finde ich auch, dass Gustav am besten abschneidet. Ich mag Menschen, die zu ihrer Meinung stehen und sich aktiv an dem beteiligen, was um sie herum vorgeht. Ivar ist ein richtig mieser Typ. Ich denke auch, dass Sven der Allerschlimmste ist, aber Ivar ist auf jeden Fall der Zweitschlimmste. Stina kommt auf den dritten Platz und Per auf den vierten.«

    Nach dem Abendessen räumten sie den Tisch ab, und Åsa ging zu den Kindern hinüber. Langsam wurde es Zeit für sie, ins Bett zu gehen. Sjöberg brachte die Küche wieder auf Vordermann. Seine Gedanken kreisten immer noch um die Gleichgültigkeit. Gewiss war sie kein Verbrechen, und kein Mensch konnte sich um das Elend der ganzen Welt kümmern. Man suchte sich bestimmte Menschen und bestimmte Kriege und bestimmte Naturkatastrophen aus, um die man sich mehr kümmerte als um die anderen. Und dann gab es noch diejenigen, die sich überhaupt nichts und niemanden aussuchten. Zweifellos wurde das Leben dadurch einfacher. Er erinnerte sich, dass die Trägheit im Mittelalter zu den Todsünden zählte. Zumindest ein Philosoph war also auch der Ansicht, dass Gleichgültigkeit in moralischen Dingen zu den schwersten Vergehen gehörte, deren ein Mensch sich schuldig machen konnte. Er durchforstete sein Gedächtnis nach den anderen Todsünden. Völlerei, Unzucht, Hochmut, Zorn, Habgier und Neid. Rein rechtlich gesehen war Gustav der Einzige, der ein Verbrechen begangen hatte, aber nach den Grundsätzen der mittelalterlichen Moral machte sich Ivar der Gleichgültigkeit schuldig, Gustav des Zorns, Stina der Unzucht, Sven der Habgier sowie der Unzucht und Per vielleicht des Zorns, vielleicht des Hochmuts. Alle waren sie die gleichen Halunken.
    Innerhalb der Familie Sjöberg gab es Beispiele für Völlerei, Zorn, Habgier und Neid. Es war schwer, sich dem allen zu entziehen. Er musste an die armen Lehrer in Landskrona denken, die am Badestrand mehrere Kinder in der Brandung verloren hatten. Worin bestand ihr Vergehen? Gleichgültigkeit gegenüber der Gefahr? Und wie hatte es sich damals mit dem Mord an dem vierzehnjährigen John Hron verhalten, der durch die Presse gegangen war? War dieser Jugendliche nicht verurteilt worden, weil er einfach dagestanden und mit seinem Handy keine Hilfe herbeigerufen hatte? Gleichgültigkeit war trotz allem vielleicht doch ein Verbrechen. In den Augen mancher Leute war Gleichgültigkeit in gewissen Situationen zweifellos ein Verbrechen. So viel konnte man feststellen. In den Augen mancher Leute war Ingrid Johansson vielleicht eine Verbrecherin.
    Nachdem die Kinder ins Bett gegangen waren, mischte er Cocktails für Åsa und sich selbst. Er nahm Cola mit Rum, aber Åsa wollte lieber einen Wodka mit Magic und dazu ein bisschen Lime. Das war eine Erfindung seines Schwagers Lasse und schmeckte erstaunlich lecker. Gewissen Medienberichten zufolge war die Kombination von Alkohol mit Energy Drinks allerdings gesundheitsgefährdend, und Sjöberg ließ niemals eine Gelegenheit verstreichen, seine Frau darauf hinzuweisen. Sie setzten sich vor den Fernseher, um sich die Nachrichten anzuschauen. Eine vierundvierzigjährige Prostituierte und Mutter

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