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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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Lichstrahlen fielen durch die schmutzigen Fenster in die schummrige, halbleere Schenke. Rauch kräuselte sich träge und formte hypnotische Muster, die sich im Licht entfalteten.

    Crake schaute auf seine Taschenuhr und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Sein neuer Freund war spät dran. Er fragte sich, ob er letzte Nacht ein wenig zu viel des Guten getan hatte, indem er für sämtliche Drinks aufgekommen war. Vielleicht hatte er mit seinen Schmeicheleien etwas zu dick aufgetragen. Sich zu viel Mühe gegeben.
    Alles in allem fand er aber, dass sie gut miteinander ausgekommen waren. Dass er gute Arbeit bei der Überbrückung der gewaltigen intellektuellen Kluft zwischen ihnen geleistet hatte. Trotzdem war sich Crake bei diesen einfachen Leuten nie ganz sicher. Vermutlich besaßen sie eine gewisse Intuition. Sie spürten, dass er keiner von ihnen war.
    Rogin schien jedoch Gefallen an ihm gefunden zu haben. Er hatte mit jedem gern geplaudert, solange er die Drinks spendiert bekam. Am Ende der Nacht hatten sie sich auf einen schnellen Becher Grog am nächsten Tag verabredet, bevor er zum Dienst musste. »Macht den Einstieg in meine Schicht ein bisschen geschmeidiger, um es mal so auszudrücken«, hatte Rogin erklärt. Crake hatte enthusiastisch gewiehert und versprochen, dass er mit einem Drink auf ihn warten würde.
    Er kratzte sich den Bart. Er hatte daran gedacht, ihn abzunehmen, weil die Zenturienritter einen Mann mit blondem Bart suchen würden. Aber die anderen, die hinter ihm her waren, suchten nach jemand Glattrasiertem, weshalb er ihn sich ja ursprünglich zugelegt hatte. Da er die Shacklemore-Agentur ebenso sehr fürchtete wie die Zenturienritter, es folglich so oder so auf dasselbe hinauskam, war er zu dem Schluss gelangt, dass der Bart ihm stand, und hatte ihn behalten. Er fand, dass er damit erfreulich markant aussah.
    Crake warf erneut einen Blick auf seine Taschenuhr. Wo blieb dieser Dummkopf? Nach all der Mühe, die er sich damit
gemacht hatte, dem Kerl erst nach Hause und dann zu seiner Stammkneipe zu folgen, um ihn dort mit Schnaps abzufüllen, würde Crake stinksauer sein, wenn er jetzt versetzt wurde.
    Er war in düsterer Stimmung. Erinnerungen an die Vergangenheit und Zweifel bezüglich der Zukunft scharten sich zusammen und stürmten gemeinsam auf ihn ein. Tat er das Richtige, indem er auf der Ketty Jay blieb? Wäre er nicht besser dran, wenn er sich von diesen Leuten trennen und seiner eigenen Wege gehen würde? Schließlich schuldete er Frey nach ihrem Zusammenstoß mit Macarde nicht gerade übermäßig viel Loyalität.
    Aber Frey hatte ihm versprochen, dass sie eine Großstadt aufsuchen würden, sobald es gefahrlos möglich war. Dort konnte Crake die Materialien bekommen, die er brauchte, um seinen Dämonismus zu praktizieren. Das hatte ihn besänftigt. Er konnte noch ein wenig warten.
    Das Bedürfnis, die Kunst, seine Kunst zu praktizieren, ließ ihm keine Ruhe. Nach dem Unfall hatte er geglaubt, er würde nie wieder in Versuchung geraten. Aber er hatte seine Studien aus Furcht beendet, und das war feige. Seit der Universität hatte er jeden freien Moment heimlich dem Dämonismus gewidmet. Es war das Einzige, was ihn von der Herde übergebildeter Idioten aus reichem Hause unterschied, die ihn sein Leben lang umgeben hatten. Er hielt sich für etwas Besseres. Er verachtete sie. Er war mutig genug gewesen, ins Unbekannte zu schauen, nach dem Arkanen zu greifen. Er konnte Dinge tun, über die mächtige Männer staunen würden. Kurz bevor sie ihn hängten.
    Trotz aller Gefahren konnte er den Dämonismus jedoch nicht aufgeben. Ins graue Unwissen zurückzufallen, den stumpfsinnigen Alltag, war unvorstellbar. Er hatte Kummer,
Verzweiflung und höchstes Entsetzen verspürt, er hatte die schrecklichsten Fehler gemacht, und er trug eine Schande, die kein Mensch tragen müssen sollte; aber er hatte in die Flammen des verbotenen Wissens geschaut, und selbst wenn er den Blick vielleicht einen Moment lang abwandte, würde er immer wieder dorthin zurückgezogen werden.
    Du kannst klein anfangen. Beginne mit den leichten Prozeduren. Mal sehen, wie es läuft.
    Da sein Geld überdies nicht für mehr als die elementarsten Materialien reichte – geschweige denn für deren Transport – , war er kaum in der Lage zu gehen. Auf der Ketty Jay war er zumindest von Leuten umgeben, die keine Fragen stellten, Leuten, die in den aristokratischen Künsten des boshaften Witzes und der Hinterhältigkeit ungeübt waren.

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