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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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starb, einige Monate bevor ich in sein
Haus kam. Ein Schlaganfall traf ihn, als er bei einem Bankett in
seinem Haus auf Nob Hill, am Kopfende des Tisches sitzend,
sich an einer Hirschpastete mit französischem Rotwein
verschluckte. Mehrere Gäste hoben ihn vom Boden auf, betteten
den Sterbenden auf ein Sofa und legten seinen schönen Kopf,
den Kopf eines Araberfürsten, Paulina in den Schoß, die, um ihn
zu ermuntern, auf ihn einredete: »Stirb nicht, Feliciano, du weißt
doch, die Witwen lädt keiner ein… Atme, Mensch! Wenn du
atmest, verspreche ich dir, daß ich heute ganz bestimmt den
Riegel von meiner Tür abnehme.« Es wird erzählt, daß es
Feliciano noch zu lächeln gelang, bevor sein Herz stillstand. Es
gibt unzählige Bilder von dem kräftigen, fröhlichen Chilenen,
man kann ihn sich leicht lebend vorstellen, denn auf keinem
davon posiert er für den Maler oder den Fotografen, auf jedem
sieht er so aus, als wäre er in einer spontanen Bewegung
festgehalten worden. Er lachte mit Haifischzähnen, gestikulierte
beim Sprechen und bewegte sich mit der Sicherheit und dem
Ungestüm eines Piraten. Nach seinem Tod verfiel Paulina; ihre
Verzweiflung war so groß, daß sie weder an der Beisetzung
teilnehmen konnte noch an den zahlreichen Ehrungen, die die
Stadt ihm erwies. Da ihre drei Söhne nicht im Lande waren,
mußten der Butler Williams und die Anwälte der Familie sich
um die Feierlichkeiten kümmern. Die beiden jüngsten Söhne
kamen einige Wochen später an, aber Matías hielt sich in
Deutschland auf und erschien nicht, sich mit seiner
angegriffenen Gesundheit entschuldigend, um seine Mutter zu
trösten. Zum erstenmal in ihrem Leben kamen Paulina die
Koketterie, der Appetit und das Interesse für die
Rechnungsbücher abhanden, sie weigerte sich, aus dem Haus zu
gehen, und verbrachte ganze Tage im Bett. Sie gestattete
niemandem, sie in diesem Zustand zu sehen, die einzigen, die
ihr Trauern miterlebten, waren ihre Dienstmädchen und
Williams, der tat, als bemerkte er nichts, und sich darauf
beschränkte, in angemessener Entfernung zu wachen, um ihr zu
helfen, wenn sie ihn darum bat. Eines Tages stand sie zufällig
vor dem großen goldgerahmten Spiegel, der die halbe Wand
ihres Badezimmers einnahm, und sah, was aus ihr geworden
war: eine dicke, verschlampte Vettel mit dem Kopf einer
Schildkröte, gekrönt von einem wirren grauen Haarbusch. Sie
stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Kein Mann auf der ganzen
Welt - und schon gar nicht Feliciano
- verdiente soviel
Selbstverleugnung, entschied sie. Sie war an einem Tiefpunkt
angelangt, es war an der Zeit, sich mit einem kräftigen Fußtritt
vom Grund abzustoßen und wieder hochzukommen. Sie läutete,
um ihre Zofen herbeizurufen, und wies sie an, ihr beim Bad zu
helfen und den Friseur zu holen. Von diesem Tag an erholte sie
sich mit eisernem Willen von ihrer Trauer ohne weitere Hilfe als
Berge von Süßigkeiten und lange Wannenbäder. Die Nacht fand
sie meistens mit vollem Mund in der Badewanne sitzend, aber
sie weinte nicht mehr. Zu Weihnachten tauchte sie auf aus ihrer
Abgeschiedenheit, mit einigen Kilos mehr und tadellos
hergerichtet, und mußte verdutzt feststellen, daß die Welt sich
während ihrer Abwesenheit weiter gedreht und niemand sie
vermißt hatte, was für sie ein Ansporn mehr war, sich endgültig
wieder auf die Füße zu stellen. Sie würde nicht zulassen, daß
man sie übersah, sie war eben sechzig Jahre alt geworden und
gedachte noch einige dreißig weiterzuleben, und sei es auch nur,
um ihre Mitmenschen zu ärgern. Sie würde einige Monate
Trauer tragen, das war das wenigste, was sie Feliciano zu Ehren
tun konnte, aber ihm würde es nicht gefallen, sie als eine dieser
griechischen Witwen zu sehen, die für den Rest ihres Lebens in
Sack und Asche gehen. Sie begann eine neue Garderobe in
Pastellfarben für das nächste Jahr zu planen und eine
Vergnügungsreise nach Europa. Von da aus konnte man leicht
einen Abstecher nach Ägypten machen, da hatte sie schon
immer mal hingewollt, aber Feliciano hatte gemeint, das sei ein
Land mit nichts als Sand und Mumien, in dem alles Interessante
vor dreitausend Jahren geschehen war. Jetzt, wo sie allein war,
würde sie diesen Traum verwirklichen können. Plötzlich jedoch
wurde ihr bewußt, wie sehr ihr Leben sich verändert hatte und
wie wenig die Gesellschaft von San Francisco sie schätzte; all
ihr Geld reichte nicht aus, daß man ihr die südamerikanische

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