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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Titel: Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
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und hinter ihm erhoben sich
sechs riesige, bleigefaßte Buntglasfenster, die Heilige darstellten. Selbst
Jahrhunderte nach ihrer Entstehung noch waren die Farben klar und lebhaft.
    Phaedra setzte sich auf eine Bank in
der vordersten Reihe, schlug beide Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
    Annie ließ sich neben ihr nieder,
schlang einen Arm um sie und wünschte, sie hätte ein Taschentuch in ihrem Ärmel
oder Mieder, wie andere Frauen es bei sich zu tragen pflegten. »Was hast du,
Phaedra?« fragte sie mit sanfter Ungeduld. »Mr. Haslett ist doch ein
gutaussehender Mann, und er scheint auch sehr nett zu sein ...«
    »Wenn du ihn so wunderbar findest,
dann heirate ihn doch selbst!« fuhr Phaedra auf, stieß Annie fort und rückte
von ihr ab.
    Annie seufzte. »Wenn du dem armen
Mann eine Chance gäbest ...«
    »Nein!« rief Phaedra. »Ich weiß
jetzt, daß ich ihn niemals lieben könnte! Niemals!«
    »Was hat dich bloß zu einer so
heftigen Reaktion veranlaßt?« fragte Annie aufrichtig verwundert. »Du benimmst
dich ja, als ob er Hörner und einen Klumpfuß hätte!«
    Phaedra war fast hysterisch
mittlerweile und zu keiner vernünftigen Antwort mehr imstande. Annie fand einen
Becher hinter dem Altar, wischte ihn am Saum ihres Unterrocks ab und ging in
den Hof hinaus, um Wasser zu holen. Am Haupteingang der Kapelle fand sie einen
Brunnen, füllte den Becher und brachte ihn der Prinzessin.
    Phaedra trank durstig und
verzweifelt, umklammerte den Becher mit beiden Händen, und als sie ihn geleert
hatte, war sie etwas ruhiger.
    Annie saß schweigend neben ihr und
wartete.
    Zu guter Letzt, nach viel Schniefen
und Wimmern, wandte Phaedra sich endlich zu ihr um. »Ich sage ja nicht, daß er
häßlich ist oder schlecht«, gestand sie mit leiser, bewegter Stimme. »Es ist
nur ... Weißt du, ich hatte all diese Jahre darum gebetet ...« wieder hielt sie
inne und schaute anklagend zum Altar — »daß ich etwas empfinden würde,
wenn ich Mr. Haslett endlich sähe. Es wäre eine Art himmlisches Zeichen
gewesen, daß wir zusammen glücklich werden können.«
    »Und du hast nichts empfunden?«
fragte Annie anteilnehmend. Ihre einzige Erfahrung mit der Liebe — diese
widersinnige Leidenschaft, die sie für Rafael empfand — war ein überwältigendes
Erlebnis für sie gewesen.
    »Das ist es ja«, gestand Phaedra
ernst. »Ich habe etwas empfunden. Es war schrecklich — etwas Dunkles,
Zerstörerisches, Annie. Ich glaube, daß es eine Warnung war.«
    Annie straffte die Schultern. »Nun
ja«, meinte sie resolut, »dann mußt du eben zu Rafael gehen und ihm sagen, daß
die Heirat abgeblasen ist. Er wird vielleicht nicht begeistert sein, sich mit
der Zeit jedoch mit dem Gedanken abfinden.«
    Die Prinzessin schüttelte den Kopf.
»Du verstehst es nicht. Rafael würde lieber sterben, als sein Wort zu brechen.«
    »Aber du hast doch gesagt, daß
jemand anderer ursprünglich die Vereinbarung getroffen hat. Wenn das der Fall
ist, wäre es doch nicht Rafael, der sein Wort bricht — wie könnte er, wenn er nie etwas versprochen hat?«
    Phaedra wirkte auf einmal kleiner,
als schrumpfte sie unter der Bürde ihrer Sorgen. »Ich kann es nicht ertragen,
Annie. Ich kann es einfach nicht!«
    Eine leise Furcht erfaßte Annies
Herz, denn es lag echte Verzweiflung in Phaedras Stimme, und Menschen handelten
oft überstürzt und töricht, wenn sie verzweifelt waren ...
    Annie nahm die Hände ihrer Freundin
und drückte sie beruhigend. »Wenn du nicht mit Rafael reden willst, werde ich
es für dich tun«, sagte sie. »Ich werde ihn schon irgendwie dazu bringen, zu
verstehen.«
    »Er würde dir nicht einmal zuhören«,
beharrte Phaedra, aber falls Annie sich nicht getäuscht hatte, erschien ein
leiser Hoffnungsschimmer in den dunklen Augen der Prinzessin.
    »Ich muß es versuchen«, beharrte Annie.
Sie wußte, wie brüsk und gebieterisch Rafael sein konnte, und die Aufgabe, die
vor ihr lag, würde keine leichte sein. Doch falls der Versuch mißlang, konnten
sie und Phaedra noch immer fortlaufen und sich in die Villa der Trevarrens in
Nizza flüchten; sie konnten sich darauf verlassen, daß Annies Mutter und ihr
Vater ihnen helfen würden.
    Phaedra nickte und wischte sich mit
dem Handrücken die Tränen ab. »Na gut«, sagte sie leise.
    Wie sich herausstellen sollte, ergab
sich für den Rest des Tages keine Gelegenheit, mit Rafael zu reden, denn kaum
waren Mr. Hasletts Kutschen ausgeladen und seine Männer und Pferde in ihre
Quartiere eingewiesen

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