Rivalen der Liebe
fasste Julianna zusammen und nickte knapp.
»Ja«, sagte er. Ihr Blick traf seinen.
Kein glühender Blick dieser Welt, merkte Roxbury jetzt, keine heimlichen, zarten Berührungen konnten wahre Sehnsucht ersetzen. Dieser erste Funke konnte nicht erzwungen werden, er musste von selbst kommen.
Regel Nummer fünf: Wirf alle Regeln über Bord, verlasse dich ganz auf dein Gefühl und erspüre einfach, was richtig ist .
»Versucht es ruhig noch einmal und schlagt mich. Hier«, sagte er und zeigte auf seine Brust, direkt über dem Herzen.
Zuerst schob Julianna sich eine verirrte Haarsträhne aus den Augen. Dann atmete sie tief durch und nahm erneut die Boxerhaltung ein. Sie wippte auf den Füßen vor und zurück, die Fäuste fast bis vor das Gesicht gehoben. Und dann, so schnell, dass er es kaum sah, schoss ihr Arm aus, die Faust landete hart auf seiner Brust und trieb ihm die Luft aus der Lunge.
Er gab dem Drang nach, sich vor Schmerz zu krümmen, und sei es nur, um ihr zu gefallen.
»Oh! Das tut mir leid!«, rief Lady Somerset erschrocken. »Es tut mir leid! Wirklich und ehrlich leid. Ich wollte Euch gar nicht wehtun.«
Julianna stürzte auf ihn zu und schlang die Arme um ihn. Das fühlte sich so angenehm an – dass sie sich um ihn sorgte und ihn deshalb sogar umarmte –, dass Simon schamlos aufstöhnte, um sie ein bisschen zu ermutigen. Eifrig packte Julianna noch ein wenig fester zu und führte ihn fürsorglich zum Sofa.
»Ihr müsst Euch hinlegen«, verlangte sie besorgt. Simon widerstand dem Drang, zu lächeln oder ihr zu erklären, dass ein kleiner Hieb von einer Lady ihn noch lange nicht umhauen würde. Der Schlag war jedenfalls nicht so schlimm gewesen, dass man bleibende Schäden befürchten müsste.
Also ließ er sich getrost ein bisschen von ihr umsorgen. Eifrig schüttelte Julianna Kissen auf und legte beruhigend die Hand auf seine Brust.
Was bedeutete, dass er seinem Repertoire die neue Regel Nummer sechs hinzufügen konnte: Stelle dich verletzt; damit weckst du ihre Neigung zur Fürsorge .
Zum allerersten Mal sorgte Lady Somerset sich ehrlich um ihn. Das war einerseits lächerlich – für wie stark hielt sie sich eigentlich? –, aber auf der anderen Seite genoss Roxbury das Umsorgtwerden ganz außerordentlich.
»Ich rufe nach dem Riechsalz«, sagte sie und ließ ihn ausgestreckt auf dem Sofa liegen.
»Seid doch nicht albern«, sagte er mit fester Stimme. Damit trieb sie’s nun wieder zu weit. Herr im Himmel, er war schließlich ein Mann!
»Dann habe ich Euch gar nicht so schlimm wehgetan?«, erkundigte Julianna sich vorsichtig und ließ sich neben ihm nieder. »Nicht, dass Ihr es zugeben würdet, wenn es so wäre. Ach, ihr Männer …«
»Nein, mir geht es schon viel besser«, beeilte Roxbury sich zu antworten. »Und Ihr habt Eure Sache ganz wunderbar gemacht. Jetzt habt Ihr noch eine Methode an der Hand, um Euch selbst zu verteidigen«, sagte er.
»Nur für den Fall, dass ich meine Pistolen gerade nicht zur Hand habe, meint Ihr wohl?«, bemerkte sie und schmunzelte.
»Das auch. Ich dachte allerdings eher an Eure scharfe Zunge, die Eure schärfste Waffe ist«, sagte Roxbury und lächelte ironisch.
Darauf musste sie lachen, und es war ein sehr hübsches Lachen. Sie musste wirklich viel häufiger zum Lachen gebracht werden.
»Ich danke Euch, Roxbury«, sagte Julianna nun aufrichtig. Das war sein Signal: Er erhob sich vom Sofa und setzte sich neben sie.
»Ihr könnt mich eigentlich genauso gut Simon nennen«, sagte er. »Schließlich sind wir jetzt verheiratet und haben gerade eine ordentliche Rauferei im Salon gehabt.«
Sie verdrehte die Augen wie ein junges Mädchen, aber dabei lächelte Julianna noch immer genauso bezaubernd wie zuvor.
In diesem Moment war er sich ziemlich sicher, dass sie es begrüßen würde, wenn er sie jetzt küsste. Sie war eindeutig glücklich und empfand eine gewisse Zuneigung für ihn – auf jeden Fall mehr, als sie selbst zuzugeben bereit war. Sie hatte ein bisschen von ihrer Wut ablassen können, und das ließ Platz für den kleinen Funken Leidenschaft, den er zu entzünden versucht hatte.
Um das Terrain zu sondieren, legte Roxbury zunächst seine Hand auf ihre. Julianna blickte neugierig zu ihm auf, aber sie bewegte sich nicht und zog ihre Hand auch nicht weg. Ein hervorragendes Zeichen ! Außerdem funkelte sie ihn auch nicht wütend an oder machte eine geistreiche Bemerkung über seine angeblichen Neigungen oder seinen großen Erfahrungsschatz bei der
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