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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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auf dem Rücken im Schnee liegen und mit den Armen rudern, während Danny mit dem Schlitten vorbeifuhr. Er schüttelte den Kopf. Erstaunlich, wie sehr man sich in so einer Situation gehen lassen konnte. Wie viele solcher Hirngespinste hatte sein Killer wohl im Kopf gehabt, als er Florence mit dem Elektroschocker tötete? Vielleicht sah er sich und Angela Soto als Liebespaar, umringt von glücklichen, dicken Kindern, noch während er ihr das Gesicht wegpustete.
    Kenton versuchte jetzt noch einen Fausthieb, doch der schmierte auf halbem Wege ab, und dieser kräftige Mann sackte schließlich mit weit aufgerissenen Augen auf die Knie. Allmählich wurde ihm bewusst, was er angerichtet hatte, und er wandte sich seiner Frau und seiner Tochter zu. Wahrscheinlich hatte auch er seit mehr als dreißig Jahren nicht geweint.
    Ein Schluchzen löste sich aus seiner Kehle, Tränen standen in seinen Augen. Flynn verspürte eine seltsame Eifersucht.
    Kenton streckte die Hände aus, und sie umarmten sich und baten sich gegenseitig um Vergebung. Es
machte Flynn Mut und widerte ihn gleichzeitig an. Am liebsten hätte er das Mädchen mitgenommen. Warum sollten die Menschen immer eine zweite Chance verdient haben? Er wünschte, die Faust wäre nicht von ihrem Kurs abgewichen und er hätte Kenton reinen Gewissens das Schlüsselbein einschlagen können.
    Manchmal gab es kein Erbarmen.
    Er ging zum Feuer, warf ein Stück Holz hinein und ging.

22
    Am nächsten Morgen stand Patricia Waltz, die seit drei ßig Jahren tot und schwanger von Danny war, mit Schnee in den Haaren an der Tür.
    Diesmal hatte sie kein Blut an der Lippe, nur eine pflaumenfarbige kleine Stelle im Mundwinkel. Ein Schatten unter dem Auge war sorgfältig mit Make-up verdeckt. Vor ein paar Tagen war es noch ein ausgewachsenes Veilchen gewesen, inzwischen aber gut verheilt. Sie hielt ein gefaltetes Blatt Papier in der Hand und flüsterte etwas. Flynn war nicht sicher, ob es sein Name war.
    Er schlang seine Arme um sie und wünschte, er hätte die Zeit, sie zu spüren und zu halten. Aber im selben Moment riss er sie zur Seite und warf sich schützend vor sie.
    Holz und Metall splitterten aus dem Rahmen.
    Zwei weitere Schüsse rissen ihre Spuren in den Boden. Statt sie zuzutreten, hatte er die Tür absichtlich
offen gelassen, um gegebenenfalls das Mündungsfeuer oder den Schimmer eines Gewehrlaufs sehen zu können. Es sah so aus, als müsste er sein Leben riskieren, um herauszufinden, was hier gespielt wurde. Aber das war jetzt egal. Der Schnee half ihm. Weit hinten am Ende des Parkplatzes sah er eine dunkle Silhouette.
    Endlich.
    Seit Kenton die Faust gegen ihn erhoben hatte, war die Zeit stehengeblieben. Jetzt setzte sie mit einem Knall wieder ein. Für einen kurzen Moment lag Flynn auf Emma Waltz und genoss den menschlichen Kontakt. Sie sah ihrer toten Schwester auf beängstigende Weise ähnlich. Das Haar war ihr wieder übers Gesicht gefallen. Er strich es beiseite. Ihr Mund zuckte, aber die Augen waren tot. Sie stand unter Schock, und das wahrscheinlich seit dem Tag, an dem Danny sie beide aus dem Dodge geworfen hatte.
    Er hatte keine Zeit zu verlieren.
    Sie gab kein Wort von sich. Er wollte ihr sagen, dass bald alles gut würde, dass er einen Weg fände, sie beide zurückzubringen, zurück ins Leben. Der leichte Ärger darüber, dass sie Chad gedeckt und gegen ihn ausgesagt hatte, war verflogen. Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf ihre verletzten Lippen. Sie reagierte nicht, aber das war auch nicht nötig. Sie hatte den Killer aus seinem Versteck gelockt und ihn Flynn vor die Haustür geliefert. Sie hatte ihn gerettet.
    Der Zettel fiel ihr aus der Hand. Darauf stand:
    ICH BIN DEIN BRUDER
    Flynn lief hinaus in den Sturm. Der dunkle Schatten verschwand aus seinem Blickfeld, so wie alle, die ihm je etwas bedeutet hatten. Vielleicht war es sein Vater. Oder Marianne. Vielleicht auch das Kind, das sie nie gehabt hatten. Es hätte jeder sein können, ob tot oder lebendig, außer vielleicht seinem Bruder.
    Er konnte kaum etwas erkennen bei dem Schnee. Es hörte einfach nicht auf. Die Kälte würde weiter die Obdachlosen dahinraffen und Totalschäden auf dem Expressway verursachen, bis er die Sache zu Ende gebracht hatte. Erst wenn einer von ihnen den letzten Atemzug getan hatte, teilten sich die Wolken, brach die Sonne durch und die Blumen erblühten.
    Flynn rannte zum Dodge, stieg ein, drehte den Schlüssel herum und spürte die Kraft durch sich hindurchfließen, als der

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