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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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genau.« Die Antwort war hervorgesprudelt: »Kommen Sie …«, gefolgt von einem: »Ja, Belle-Mamie, ich bin gleich da! Entschuldigen Sie mich.« Ende des Gesprächs.
    Hatte er dieses »Kommen Sie« geträumt? Warum hätte sie ihm das sagen sollen? Warum hatte sie aufgelegt, ohne etwas hinzuzufügen? Wo war diese verdammte Tankstelle? Hatte er die Abzweigung verpasst?
    Er sah die Tankstelle - zwei verrostete Zapfsäulen und einen Typ mit Schirmmütze wie aus den vierziger Jahren - und bog, wie angegeben, nach rechts ab. Was für eine blöde Idee, ein Kulturzentrum in diese Wüste zu setzen! Ein Kulturzentrum voller perverser Spießer.
    Das heißt, nicht wirklich, wenn die von Gaelle eingeholten Auskünfte zutrafen.
    Der Freund ihres Bruders, der bei der Sitte arbeitete, hatte sich gerne bereit erklärt, gegen ein Mittagessen mit ihr seine Akten durchzugehen. Kein Hinweis auf Pater Dubois, auf die Andrieus oder ihre Freunde.
    »Wenigstens wissen wir das jetzt!«, war Gaelles Kommentar gewesen.
    »Und wie war das Mittagessen?«, hatte Chib gefragt.
    »Gar nicht schlecht, wir waren im Odine am Strand, und dann haben wir noch bei ihm einen Joint geraucht.«
    Kleines albernes Stechen. Er würde doch nicht eifersüchtig werden! Er war ja nicht mal verliebt!
    »Fragst du mich nicht, ob ich mit ihm geschlafen habe?«
    »Was geht mich das an? Du bist frei.«
    »Du bist wirklich ein alter verknöcherter Achtundsechziger!«
    »Achtundsechzig, da war ich neun, meine Kleine.«
    »Freie Liebe und der ganze Kram . ich kann mir dich einfach nicht mit Afro-Look und Flower-Power-Hemd vorstellen.«
    »Ich habe immer Anzug und Brille mit Kassengestell getragen.«
    »Wie auch immer, wir haben tatsächlich miteinander geschlafen«, hatte sie etwas leiser hinzugefügt, »aber es war nicht gerade das Gelbe vom Ei, ich war völlig lädiert.«
    »Das kommt davon, wenn man das große Mädchen spielt.«
    »Gut, ich hör jetzt auf, in zwei Minuten fängt meine Vorlesung an.«
    Was war das überhaupt für ein Kerl, dieser Flic, der Shit rauchte. Ein Rambo in Lederjacke und Nike? Zu seiner Zeit hätte niemand mit einem Polizisten geschlafen!
    Er bremste. Hinter einer Mimosenhecke erhob sich das Kulturzentrum. Ein großes modernes Gebäude, weiß und verglast. Nicht eine einzige Zeder in Sicht. Roter Oleander, Agaven, eine Palme. Etwa zwanzig Wagen auf dem Parkplatz. Auf in den Kampf!
    Die Vorträge fanden im Kino statt, einem kleinen Saal mit hundert Plätzen, gebrauchte Sitze aus königsblauem Samt, roter Vorhang, Wände mit dunkelblauem Stoff bespannt. Zwei große Lautsprecher zu beiden Seiten der Leinwand. Auf der Tribüne, neben einem Mikrofon, war der Diaprojektor aufgestellt.
    Es waren schon etwa fünfzig Personen im Saal verteilt. Er hatte darauf geachtet, in der letzten Minute einzutreffen, um Gespräche vor Beginn des Vortrags zu vermeiden. Er nahm in der letzten Reihe neben dem Ausgang Platz. Er hatte Belle-Mamie mit Charles und Louis-Marie in der zweiten Sitzreihe entdeckt. Die Labarrieres eine Reihe dahinter. Pater Dubois stand im Gespräch mit einem alten, von Falten zerfurchten Mann in Sutane. Höchstwahrscheinlich Pater Rosieres. Andrieu und Blanche waren nirgends zu sehen. Ein Gefühl der Enttäuschung durchströmte ihn.
    »Warum bleiben Sie ganz allein im Dunkeln?«
    Er fuhr zusammen. Sie stand neben ihm, musterte ihn und fächelte sich Luft mit dem Programm zu.
    »Ganz allein im Dunkeln, daran bin ich gewöhnt«, brachte er hervor. O Wunder, ihre Lippen umspielte der Schatten eines Lächelns. »Ich habe Ihren Mann nicht gesehen«, fügte er lässig hinzu.
    »Er wurde in letzter Minute verhindert. Er musste nach Brüssel reisen. Geschäftlich … Bis später.«
    Und schon schritt sie den Gang hinunter und setzte sich neben Belle-Mamie, die sich kurz darauf umdrehte, um ihm zuzuwinken.
    Pater Rosieres kannte sein Thema, aber Chib hatte große Mühe, sich zu konzentrieren. Gedanken im Freilauf, vorbei an blühenden Friedhöfen.
    Man applaudierte dem Redner, der den Projektor abstellte und die Tribüne herunterstieg. Was tun? Aufbrechen? Sich der kleinen Gruppe anschließen, die sich um den reisenden Priester gebildet hatte, und an dem Gespräch teilnehmen?
    »Im Foyer findet ein kleiner Umtrunk statt.«
    Dubois war aufgetaucht, lautlos, wie es seine Art war.
    »Hat Ihnen der Vortrag gefallen?«
    »Sehr interessant. Man merkt, dass er die Materie gründlich beherrscht.«
    Während sie sprachen, folgten sie den anderen und gelangten

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