Showtime (Tim: Teil 3) (German Edition)

Konzentration hatten aus dem guten Turner Tim den olympischen Turner Tim gemacht — zumindest an den Ringen.
     
    Etwa eine Woche später rief uns Coach Frank in sein Büro.
    »Lasst uns über das Reck sprechen«, sagte er.
    Tim schaute ihn erwartungsvoll an.
    »Tim, ein großes Problem am Reck ist Angst. Wenn du über der Stange bist und bei einem Salto loslassen musst, bist du ziemlich hoch in der Luft. Angst vor dem Fallen hemmt viele Turner. Tatsächlich kann ein Sturz deine komplette Karriere beenden.«
    »Das stimmt, nehme ich an«, sagte Tim. »Ich bin bisher noch nie ernsthaft gestürzt. Und ich habe auch keine Angst da oben.«
    »Du hast einen Sommer beim Zirkus verbracht, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und du hast dort am Trapez gearbeitet?«
    »Ja«, antwortete Tim erneut.
    Offensichtlich wunderte er sich genauso wie ich, wohin das führen sollte.
    »Das ist ungefähr doppelt so hoch wie das Reck, oder?«
    »Ein bisschen höher sogar«, korrigierte Tim. »Wenn es schwingt, sogar noch ein ganzes Stück höher.«
    »Ich glaube, ich würde mir da oben vor Angst in die Hosen machen.«
    »Ich glaube, am Anfang hatte ich ein bisschen Angst.«
    »Aber du hast sie überwunden?«
    »Ja. Ich liebte es, am Trapez zu schwingen. Ich wurde so gut, dass ich sogar einen Handstand da oben machen konnte.«
    »An einem schwingenden Trapez?«
    »Jop.«
    »Was glaubst du, wie viele Turner das von sich behaupten können?«
    »Ich bezweifle, dass sie einen finden werden. Turnhallen haben kein Zirkus-Trapez.«
    »Wie alt warst du, als du beim Zirkus warst?«
    »Siebzehn.«
    »Und deine Eltern waren damit einverstanden?«
    Das war immer die erste Frage, die jemand stellte, wenn Tim von seiner Zirkuszeit erzählte.
    »Sie haben den Zirkus gründlich überprüft. Aber Sutvan‘s war okay und so sicher, wie es nur sein kann. Sie hatten seit 6 Jahren keinen ernsthaften Unfall mehr.«
    »Hier ist mein Punkt: du kannst am Reck mit dem Angstfaktor gewinnen. Nutze ihn zu deinem Vorteil und gehe bis an die Grenzen. Lass dich einfach gehen. Du kannst dieses Element dominieren, wenn du mit deinem Mangel an Angst spielst.«
    Frank hatte natürlich recht, auch wenn die Verbesserungen hier nicht so schnell zu sehen waren wie an den Ringen. Aber nach und nach erarbeiteten Frank und Tim ein spektakuläres Programm, das die Leute den Atem anhalten ließ.
    Tim nannte es nicht den Angstfaktor, sondern den Zirkus faktor.
     
    Frank‘s letzter Einblick hatte mit Tim‘s Bodenprogramm zu tun.
    »Ich sehe Turner über Turner, die spektakuläre Dinge am Boden veranstalten. Du wirst mithalten können, aber die anderen zu überholen wird ein schweres Stück Arbeit.«
    »Aber Du wirst mir sagen, wie ich das anstelle, nicht wahr?«
    Tim grinste ihn herausfordernd an.
    »Dafür werde ich bezahlt, oder?«, fragte Frank.
    »Stimmt«, gab Tim zu.
    »Die Leute nennen dich bereits Mr. Velcro , weil du bei deinen Landungen immer am Boden klebst. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie du es machst.«
    »Das ist der Punkt, bei dem das Turmspringen wirklich hilft. Wenn ich springe, muss alles perfekt passen, oder es spritzt und ich verliere Punkte. Jeder Teil deines Körpers muss exakt an der richtigen Stelle sein. Die gleiche Disziplin übernehme ich auch beim Bodenturnen. Wenn dein Körper perfekt ausgerichtet ist, dann ist das kleben bleiben bei der Landung ziemlich einfach.«
    »Ich wünschte, es wäre so einfach wie du es beschreibst. Mir fällt kein Turner ein, der dir zustimmen würde, dass es einfach ist.«
    »Ich bleibe immer kleben. Also muss etwas dran sein.«
    »Okay, du gewinnst. Aber ich möchte darüber reden, wo du klebst.«
    »Wo?«, fragte Tim verwundert.
    »Ja. Ich möchte das du Mr. Dangerous bist und mit den Begrenzungslinien spielst.«
    »Man verliert aber wichtige Punkte, wenn man die Linien übertritt«, merkte Tim an.
    »Ich weiß. Das ist ein Teil der Gefahr. Aber ich glaube, du hast das Können, um genau dort zu landen, wo du landen möchtest. Erarbeite ein Programm, das in einer Ecke beginnt und mit dem Gesicht zur Mitte der Matte endet. Ich möchte, dass du mit beiden Fersen einen Zentimeter von der Linie entfernt landest. Und bleib bei der Landung kleben. Du musst lernen, das zu kontrollieren. Wenn du das Gefühl hast, dass du die Linie verpasst, kannst du dein Gewicht in Richtung Mattenmitte verlagern und vermeiden, dass du außerhalb landest. Dann bist du besser 5 Zentimeter von der Linie weg als 2 Millimeter drüber. Aber du kannst das