Sternenfall: Roman (German Edition)
rechtzeitig schaffen würden, ihre Welt zu verlassen. Offensichtlich musste man sich etwas Neues einfallen lassen.
Ein durchschnittliches menschliches Wesen maß 180 mal 60 mal 30 Zentimeter. Wenn man die Menschen also wie Holzscheite stapeln könnte, würde jeder leicht in einen Kasten von zwei Metern Länge und einem Quadratmeter Grundfläche hineinpassen. Zwei Kubikmeter pro Person waren annähernd das bewohnbare Volumen der ersten Raumkapseln gewesen. Und manche der frühen Astronauten hatten, wie ein Experte ausführte, Wochen im Orbit zugebracht, nicht nur die wenigen Tage, die eine Reise vom Mond zur Erde dauerte. Folglich war es theoretisch möglich, die ganze Bevölkerung Lunas in einem Kugelvolumen von dreihundertfünfzig Metern Durchmesser unterzubringen!
Mit diesem unerreichbaren Minimum im Hinterkopf, formulierte die Konferenz ihre Pläne. Es blieb keine Zeit, irgendwelche neuen Schiffe zu bauen. Zum Glück waren früher einmal acht riesige Frachtschiffe zwischen dem Mond und den Raumkolonien gependelt. Drei von ihnen waren bereits bei Donnerschlag und Avalon eingesetzt, aber die verbleibenden fünf befanden sich in einem Parkorbit.
Mit einem Durchmesser von hundertfünfzig Metern war jeder Frachter groß genug, um pro Flug 300.000 Menschen zu transportieren. Bei dieser Packungsdichte konnten die Schiffe weder komfortabel sein noch nennenswerte Versorgungseinrichtungen bieten. Für jeden Passagier würden eine flache Koje und die allernotwendigsten Lebenserhaltungssysteme bereitgestellt werden. Um den Platz für die menschliche Fracht zu erhöhen, mussten die alten chemischen Triebwerke ausgebaut und die Wasserstoff- und Sauerstofftanks in Stauraum umgewandelt werden. Die Frachter würden durch Raumschlepper bewegt werden. Die Evakuierungsschiffe würden nur notdürftig bewohnbar sein, übelriechend und eine Hölle der Klaustrophobie. Davon abgesehen, würde jedes Schiff auf einem einzigen Flug bis zu drei Prozent der Bevölkerung Lunas aussiedeln können. Einmal im Erdorbit angelangt, würden sie auf eine Flotte von Shuttles treffen. Diese würden ebenfalls überfüllt sein, doch der Flug zur Erde hinunter würde Gott sei Dank nicht lange dauern.
Während die Arbeitsgruppen der Konferenz unentwegt beratschlagten, nahm der Umbau der Evakuierungsschiffe allmählich Gestalt an. Während die endlosen Sitzungen weitergingen, wurden Werftingenieure über den entwickelten Evakuierungsplan informiert. Man gab ihnen grobe Skizzen, die sie zur Anfertigung detaillierter Computerzeichnungen der notwendigen Modifikationen benutzten. Gegen Ende der zweiten Woche hatten die Arbeiten zum Umbau des ersten Evakuierungsschiffs begonnen.
Als die Konferenz beendet war, stand es Thorpe endlich frei, seinen unterbrochenen Urlaub fortzusetzen. Er war gerade beim Packen, als er einen Anruf von Halver Smith aus Kalifornien bekam.
»Hallo, Thomas. Ich nehme an, Sie sind auf dem Weg zur Newton-Station.«
»So weit ist es noch nicht ganz. Ich soll Ende nächster Woche hochfliegen. Ich dachte mir, ich mache in der Zwischenzeit eine Rundreise durch Europa, um mal abzuschalten.«
»Sind Sie scharf auf diesen Europaurlaub?«
»Ich habe ein paar Pläne gemacht«, sagte Thorpe, plötzlich vorsichtig geworden. Etwas in Smiths Tonfall sagte ihm, dass die Frage keineswegs beiläufig gemeint war. Würde er seinen Boss nicht besser gekannt haben, dann hätte er gedacht, Smith sei wegen irgendeiner Sache beunruhigt.
»Besteht die Aussicht, Sie davon zu überzeugen, hier Urlaub zu machen? Ich könnte Sie auf meinem Landgut unterbringen.«
»Ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen, Sir.«
»Das würden Sie nicht, Thomas, das versichere ich Ihnen.«
»Also schön.«
»Ausgezeichnet!«, erwiderte Smith. »Wann und wo sollten Sie nach Newton abfliegen?«
»Sahara Spaceport, am sechzehnten.«
»Ich werde Sie von meinen Leuten nach Mohave bringen lassen und alles Weitere arrangieren. Jemand wird Sie in der nächsten Stunde anrufen.«
»Danke, Sir.«
»Ich erwarte Sie, Thomas.«
Smith schaltete ab und ließ Thorpe auf einen leeren Bildschirm starrend zurück. Nach einigen Sekunden runzelte er die Stirn. Irgendetwas ging vor, daran bestand kein Zweifel.
Thorpe räkelte sich, halb schlafend, neben dem Swimmingpool in Sierra Hills. Über ihm stand eine helle Sonne im taubenblauen Himmel. Wenn er überhaupt an etwas dachte, dann an den Unterschied zwischen diesem milden Wetter und der Kälte, die an jenem schrecklichen Tag, als
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