Tänzerin der Nacht - Feehan, C: Tänzerin der Nacht - Night Game
du mit einer Frau in deinem Bett, und noch dazu nackt wie am Tag deiner Geburt?«
Schockiert sah Flame die kleine alte Dame an, die in einen Morgenmantel gehüllt war und in den Händen eine Schrotflinte hielt, die fast so groß war wie sie selbst. Ihr silberweißes Haar war geflochten und zu einem ordentlichen Knoten aufgesteckt. Ihre Haut war so dünn wie Papier und auch so weiß, aber ihre Augen waren klar, ihr Blick fest und ihre Lippen missbilligend zusammengekniffen.
Gator zog schleunigst ein Laken um sich und stand dabei halb auf. »Grandmère Nonny …«
Seine Großmutter schnitt ihm mit einem finsteren Blick das Wort ab. Die ältere Frau war eine prachtvolle Erscheinung. Flame hätte alles dafür gegeben, mit ihr verwandt zu sein. Sie setzte sich langsam auf und ignorierte Gators Hast, sich zu bedecken. Aber einen heimlichen Blick warf sie doch auf ihn. »Es tut mir ja so leid, Ma’am. Ich hätte nicht herkommen dürfen.« Sie senkte den Blick, um jung und verletzlich zu wirken, und sie gestattete ihrer Stimme ein Zittern. »Ich singe in einem Club, und er ist reingekommen und hat mich mit Schmeicheleien und seinem Lächeln betört. Ich weiß ja, dass ich mich falsch verhalten habe. Ich bin wirklich ein anständiges Mädchen. Und jetzt ist ein Baby unterwegs, und ich …« Sie presste sich eine Hand auf den Bauch, während sie zitternd aufstand. »Ich dachte mir, wenn ich herkäme, täte er, was sich gehört, aber …«, brachte sie jämmerlich hervor, ohne ihren Satz zu beenden.
Nonny ließ den Lauf der Schrotflinte sinken und schien es nicht zu bemerken, als Wyatt sie ihr aus der Hand nahm. Er grinste über das ganze Gesicht.
»Grandmère« , protestierte Gator. »Hör nicht auf …«
Sie hob die Hand und bedeutete ihm mit einer gebieterischen
Geste zu schweigen. Sie schnitt ihm so nachdrücklich das Wort ab, dass er nicht einmal dazu kam, ihr zu erklären, er könne unmöglich getan haben, was Flame ihm vorwarf, weil er noch gar nicht lange genug hier war.
Seine Großmutter trat vor und legte Flame einen Arm um die Schultern. »Du armes Kind. Du siehst ganz blass aus. Lass mich dir eine Tasse Tee holen.«
» Bien merci! Das ist sehr nett von Ihnen.« Flame warf Gator hinter dem Rücken seiner Großmutter einen schnellen triumphierenden Blick zu, bevor sie den Kopf senkte, als die beiden sich gemeinsam entfernten. »Meine Familie wird mich verstoßen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, aber es tut mir so leid, dass ich hergekommen bin, das hätte ich nicht tun dürfen. Es war ein Fehler. Jetzt hasst er mich mehr denn je.«
»Er hasst dich nicht, Kind. Er ist nur schockiert. Männer glauben nie, dass etwas auf sie zurückfällt. Mach dir keine Sorgen, Cher , ich werde dir helfen. Das werden wir schnell geregelt haben. Gator drückt sich nicht vor seiner Verantwortung. Er ist richtig erzogen worden.«
»Ich muss gehen. Im Moment kann ich ihm nicht ins Gesicht sehen«, sagte Flame und warf einen Blick auf die Tür. Sie würde ohne ihr Motorrad fortgehen müssen, aber sie konnte es bis zum Jeep schaffen, bevor er sich angezogen und seine Großmutter beschwichtigt hatte und ihre Verfolgung aufnehmen konnte.
»Du siehst krank aus, Kind. Lass mich dir helfen.«
Flame tätschelte ihren Arm und schluckte den Kloß hinunter, der sich ganz plötzlich und unerwartet in ihrer Kehle gebildet hatte. Gators Großmutter war echt und ehrlich besorgt um sie, und für Flame bestand kein Zweifel daran, dass sie ihr Bestes getan hätte, um einer unverheirateten
werdenden Mutter zu helfen. Der Teufel sollte Gator für seine egoistischen Entscheidungen holen. Diese Frau hätte er achten und seine Familie hochschätzen sollen. Er hatte nicht das Recht, sich als reine Marionette an Whitney zu verkaufen.
»Merci. Bien merci. « Sie stammelte es mehrfach, während sie zur Tür eilte und in die Hitze und den Regen der Nacht hinausstürmte. Sie hatte Tränen in den Augen und wusste nicht warum und war auch nicht bereit, sich nach dem Grund zu fragen. Unwillig wischte sie ihre Tränen fort und rannte auf den Jeep zu.
4
DIE SONNE STAND tief, und als sie im Bayou versank, goss sie ihr Gold in die dunklen Gewässer, und es regnete Feuer. Etliche große Dreifarbenreiher, die sich als Silhouetten gegen den Horizont abhoben, wirkten wie riesige Scherenschnitte aus schwarzer Pappe, während sie langsam durch das seichtere Wasser an den Rändern des Wasserlaufs stelzten. Lange Moosschnüre baumelten von Zypressen herab und
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