Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
schaltete Meredith sich ein.
Dann zog sie eine elegant geschwungene Augenbraue hoch. »Bonnie,
zweifellos muss ich zum ersten Mal beanstanden, dass du nicht dramatisch
genug bist.«
»Hey!«, protestierte Bonnie.
»Da habt ihr’s«, witzelte Elena. »Betrachtet die Sache von der positiven
Seite: Der jüngste Wahnsinn hat Bonnie gemäßigt.«
Matt schüttelte den Kopf. »Mrs Flowers, wissen Sie, was da los ist?«
Mrs Flowers, die in einem bequemen Sessel in der Ecke saß, lächelte
und tätschelte ihm die Schulter. Sie hatte gerade gestrickt, als die Freunde
hereingeplatzt waren. Dann jedoch hatte sie das rosafarbene Wollbündel
beiseite gelegt und den Blick ihrer ruhigen blauen Augen mit voller
Aufmerksamkeit auf sie alle gerichtet und ihrer Geschichte gelauscht.
»Lieber Matt«, sagte sie. »Du bist immer so direkt.«
Die arme Sabrina hatte neben Alaric und Meredith auf dem Sofa Platz
genommen und seit ihrer Ankunft benommen gewirkt. Es war eine Sache,
das Übernatürliche zu studieren, aber eine ganz andere, durch die Kräfte
eines Vampirs einem mysteriösen Tod zu entrinnen. Alaric hatte ihr
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tröstend einen Arm um die Schultern gelegt – wenngleich Bonnie das Ge-
fühl hatte, dass dieser Arm vielleicht besser um Meredith’ Schultern liegen
sollte. Schließlich war Meredith’ Name gerade in den Falten des Schals er-
schienen. Aber Meredith saß nur da und beobachtete mit einem undurch-
dringlichen Gesichtsausdruck Alaric und Sabrina.
Jetzt beugte Sabrina sich vor und begann zum ersten Mal zu sprechen.
»Verzeihen Sie mir«, sagte sie höflich. Ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Aber ich verstehe nicht, warum wir mit diesem … diesem Problem zu
Ihnen …« Ihre Stimme verlor sich, während ihr Blick zu Mrs Flowers
hinüberflackerte.
Bonnie wusste, was sie meinte. Mrs Flowers sah aus wie der Inbegriff
einer freundlichen, aber schon etwas schusseligen alten Dame: mit wei-
chem, schwer zu bändigendem grauem Haar, das sie sich zu einem Knoten
zurückgebunden hatte, einem höflichen, milden Ausdruck auf dem
Gesicht, einer Garderobe, die meist in Pastelltönen oder schäbigem Sch-
warz gehalten war, und der Angewohnheit, leise zu murmeln, wobei sie an-
scheinend mit sich selbst sprach. Vor einem Jahr hatte auch Bonnie noch
gedacht, dass Mrs Flowers einfach eine verrückte alte Frau sei, die die
Pension führte, in der Stefano lebte.
Aber der äußere Anschein trog. Mrs Flowers hatte sich ihrer aller
Respekt und Bewunderung verdient – nicht zuletzt mit der Art, wie sie die
Stadt mit ihrer Magie beschützt hatte. Macht und gesunder Menschenver-
stand. In dieser kleinen alten Dame steckte erheblich mehr, als man auf
den ersten Blick vermutete.
»Meine Liebe«, antwortete Mrs Flowers entschieden, »Sie haben eine
sehr traumatische Erfahrung hinter sich. Trinken Sie Ihren Tee. Es ist eine
besondere, beruhigende Mischung, die in meiner Familie über Generation-
en hinweg weitergereicht wurde. Wir werden alles tun, was wir für Sie tun
können.«
Was, wie Bonnie bemerkte, eine sehr freundliche und damenhafte Art
war, Dr. Sabrina Dell in die Schranken zu verweisen. Sie sollte ihren Tee
trinken und sich erholen, und die anderen würden herausfinden, wie das
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Problem zu lösen war. Sabrinas Augen blitzten auf, aber sie nippte brav an
ihrem Tee.
»Also«, sagte Mrs Flowers und schaute die anderen an, »mir scheint,
dass wir als Erstes herausfinden müssen, welche Absicht sich hinter der
Erscheinung der Namen verbirgt. Sobald wir das wissen, haben wir viel-
leicht auch eine bessere Vorstellung davon, wer dahintersteckt.«
»Vielleicht um uns zu warnen?«, fragte Bonnie zögernd. »Ich meine,
Sabrinas Name ist aufgetaucht, und dann wäre sie fast gestorben, und jetzt
Meredith …« Ihre Stimme verlor sich, und sie sah Meredith entschuldi-
gend an. »Ich mache mir Sorgen, dass du in Gefahr sein könntest.«
Meredith straffte die Schultern. »Na, das wäre ja nicht das erste Mal«,
erwiderte sie trocken.
Mrs Flowers nickte energisch. »Ja, es ist durchaus möglich, dass eine
gute Absicht dahintersteckt. Lasst uns diese Möglichkeit einmal näher be-
trachten. Irgendjemand könnte versuchen, euch eine Warnung zukommen
zu lassen. Aber wer? Und warum muss der Betreffende es auf diese Weise
tun?«
Bonnies Stimme war jetzt noch leiser und zögerlicher. Doch wenn
niemand sonst es aussprechen würde – sie würde es tun. »Könnte es Da-
mon
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