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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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mehr die Kraft, höherzusteigen, und jede Orientierung verloren. So jagte sie über die Wälder der Sonnseite hin, bis sie schließlich abstürzte.
    Nestor wurde vom Rücken des Fliegers geschleudert und krachte, sich mehrfach überschlagend, gegen den Stamm eines gewaltigen Baumes, durchbrach das Geäst, das unter seinem Gewicht nachgab, und prallte unsanft auf dem Waldboden auf. Danach wurde es dunkel um ihn.
    Später ... waren Hände da, die ihm aufhalfen, jemand, der sich um ihn kümmerte, Salben auf seine Wunden auftrug und ihm Verbände anlegte, was den Heilungsprozess unterstützte, den Nestors Egel bereits eingeleitet hatte. Zwischendurch erlangte Nestor immer wieder für kurze Zeit das Bewusstsein und ertappte sich bei dem Wunsch, dass womöglich Wratha ihn nach dem Absturz gefunden und zurück in den letzten Felsenturm gebracht habe. Doch nicht Wratha hatte ihn gefunden, sondern die Aussätzigen !
    Wie von Furien gehetzt stolperte er im Zwielicht des Morgengrauens halb blind aus ihrer Siedlung, floh, und in seinen Geist brannte sich die Gewissheit, dass sie diejenigen waren, die Hand an ihn gelegt und ihn gepflegt hatten. Fast eine ganze Sonnseitennacht lang hatte er die Luft eingeatmet, die sie verpestet hatten – Aussätzige!
    Die Lepra – der große Fluch der Wamphyri!
    Als Nestor wieder zu sich kam, fand er sich splitternackt im Fluss stehend und wie verrückt seinen Körper schrubbend, um den Geruch der Lepra, ihren Makel, loszuwerden. Dennoch blieb die Tatsache bestehen: Er hatte die Nacht bei Aussätzigen verbracht! Was geschehen war, war geschehen und ließ sich nicht rückgängig machen.
    Vor Kälte zitternd ging er zurück ans Ufer und zog seine schmutzigen Kleider wieder an. Es ist zwar ansteckend, dachte er, muss aber nicht zwangsläufig zur Ansteckung führen. Außerdem kenne ich jetzt die Gefahr und mein Egel ebenfalls.
    Er wusste, dass sein Parasit sich darangemacht hatte, alles, was eventuell mit Lepra zu tun hatte, überhaupt alles irgendwie Fremdartige in seinem Körper und seinem Blut, ausfindig zu machen und auszumerzen. Nestor wusste allerdings auch, dass die Kräfte seines Egels bereits damit beansprucht waren, ein Gegenmittel für das Silberschrot zu produzieren, das ihn vergiftete, und dass er sich abmühte, das beim Absturz und dem Treffer mit der Schrotflinte zerstörte Gewebe zu ersetzen. Kurz, Nestor war klar, dass sein Egel überlastet war.
    Doch daran durfte er jetzt nicht denken. Es hatte schon Männer gegeben, die jahrelang unter Aussätzigen gelebt und dennoch keinerlei Anzeichen der Ansteckung gezeigt hatten, und er hatte nur eine einzige Nacht unter ihnen verbracht. Aber was war mit seinen offenen Wunden, die nach Ansteckung geradezu schrien? Hatten die Aussätzigen ihn etwa nicht angefasst und gefüttert? Hatte ihr Atem ihn nicht gestreift? Verdammt ... nochmal!
    Nestor biss die Zähne zusammen, schüttelte wütend den Kopf und blickte aus roten, blutunterlaufenen Augen nach Norden, wo bereits die ersten Sterne über dem Grenzgebirge schimmerten. Hoch über dem letzten Felsenturm erspähte er wie ein Juwel aus blauem, gefrorenem Eis den Nordstern, der ihn – wie einst zuvor – magisch anzog.
    Doch die Sterne, klar wie Eiskristalle, blieben verschwommen. Er sah sie doppelt. Vergeblich mühte er sich, sie deutlicher wahrzunehmen, und Tränen der Wut und Enttäuschung traten ihm in die Augen. Es war zwecklos. Er war schwer verletzt und es würde eine Weile dauern, bis er genas. Er musste sich auf seine anderen, dunkleren Vampirsinne verlassen, um es durch die Wälder und über die Berge zu schaffen.
    Nun, dies war ihm schon einmal gelungen und damals hatte er sich auf nichts verlassen können als den verletzten Geist und das gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogene Gedächtnis eines tumben Szgany-Burschen. Alles, was er gewusst hatte, war, was er zu sein begehrte . Nun hatte er es erreicht, ergo müsste es ihm leichtfallen.
    Also machte er sich auf in Richtung Norden. Allmählich ließ der brennende Schmerz nach und wich einem dumpfen Pochen, und hatte Nestor zunächst nur vorsichtig einen Fuß vor den anderen gesetzt, schritt er bald kräftig aus und verfiel in den gleitenden, weit ausgreifenden Gang eines Vampirs.
    Wie einst orientierte er sich am Nordstern, der ihm den kürzesten Weg wies, auch wenn er natürlich alten und auch, sofern vorhanden, neueren Pfaden folgte, solange sie ihn nur ungefähr in die richtige Richtung führten. Die Nacht senkte sich immer

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