Traummann auf Raten
sich liebenswürdig und beobachtete, wie Joanna ihr Weinglas leerte. „Soll ich dir ein Taxi rufen, das dich zurück ins Manor bringt, Liebling?“
„Nein, danke. Ich habe meinen Wagen dabei.“
„Hältst du es für vernünftig, noch zu fahren, nachdem du getrunken hast?“
Joanna schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. „Ein Glas Wein zum Essen? Ich bitte dich! Außerdem hat Rupert mir einen starken Kaffee versprochen, wenn wir bei ihm sind. Es besteht also keinerlei Grund zur Sorge.“ Sie erhob sich. „Lass es dir schmecken“, fügte sie hinzu. „Der Seebarsch ist köstlich.“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie hinaus.
Die nächtliche Kälte stand der in ihrem Herzen in nichts nach.
9. KAPITEL
Gordon holte Joanna auf der Straße ein. „Sie können ganz schön energisch sein.“ Überraschung und Bewunderung schwangen in seiner Stimme mit.
„Wenn die Situation es erfordert.“ Sie tastete in ihrer Handtasche nach den Autoschlüsseln und merkte, dass ihre Finger zitterten.
„Eigentlich hätte ich es mir denken können, als sie neulich das Pferd bändigten. Ein Jammer, dass Sie es nicht mehr reiten können“, fügte er hinzu.
„Sie haben ein erstaunliches Gedächtnis.“ Sie lächelte angespannt. „Entschuldigen Sie das abrupte Ende unseres Essens. Ich habe das Dinner trotzdem genossen.“
„Wir müssen uns ja nicht gleich verabschieden. Sie haben Ihrem Mann gesagt, dass Sie mich auf einen Kaffee nach Hause begleiten würden.“ Er sah sie bittend an. „Hoffentlich haben Sie es sich nicht anders überlegt.“
„Ich habe es nicht wirklich ernst gemeint …“ begann sie zögernd.
„Ich schon“, unterbrach er sie. „Außerdem wollen Sie doch nicht, dass er glaubt, Sie hätten brav seine Anweisungen befolgt und wären direkt nach Hause gefahren, oder?“
Sie fand, dass Rupert dies nichts angehe, und wollte ihn gerade zurechtweisen, als ein Wagen in die High Street einbog und mit quietschenden Reifen vor der Weinstube hielt. Cynthia stieg aus und überquerte mit klappernden Absätzen die Straße.
Joanna wurde das Herz schwer. Sie schaute Rupert an. „Nein, das will ich auf gar keinen Fall. Ich hole nur meinen Wagen und folge Ihnen.“
„Wunderbar. Ich setze sofort den Kaffee auf“, versprach er eifrig.
Sie wandte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Hinter ihren Schläfen pochte es wie wild. Am liebsten wäre sie heimgefahren, um ein Aspirin zu nehmen und ins Bett zu sinken. Und zu vergessen.
Eine weitere Stunde oder mehr in Rupert Gordons Gesellschaft würde weder ihr Wohlbefinden noch ihre Laune verbessern. Und das war allein Gabriels Schuld. Joanna schürte ihren Zorn und ihre Rachegelüste, denn Wut war viel leichter zu ertragen als Schmerz und Liebeskummer.
Das Pförtnerhaus strahlte wie ein Weihnachtsbaum, als Joanna eintraf. Helligkeit war ihr wesentlich angenehmer als das intime Kerzenlicht in der Weinstube.
Als sie die Tür erreichte, öffnete Rupert ihr lächelnd. „Ich dachte schon, Sie würden nicht mehr kommen“, tadelte er sie scherzhaft.
Sein Verdacht war nicht unbegründet. Joanna hatte noch zehn Minuten in ihrem Wagen gesessen und mit sich gekämpft, ob sie der Einladung tatsächlich folgen sollte.
„Ich halte mein Wort“, erklärte sie betont munter. Insgeheim schalt sie sich indes eine Närrin und einen unverbesserlichen Dickkopf, während er ihr aus dem Mantel half.
Der Wohnraum war nicht groß, aber hübsch von den Osbornes eingerichtet. Die Sitzgruppe mit den dunkelgrünen Bezügen passte ausgezeichnet zu dem hellgrünen Teppich.
„Es ist wirklich gemütlich hier. Und wo arbeiten Sie?“
„Ich wollte mir den Tisch in der Fensternische herrichten.“ Er zuckte die Schultern. „Mein Computer ist leider noch eingepackt.“
Joanna war verwundert. Im Lauf des Gesprächs hatte sie den Eindruck gewonnen, dass er fleißig an seinem Roman schreibe. „Müssen Sie denn keinen Abgabetermin einhalten?“
„So wichtig bin ich meinem Verleger offenbar noch nicht.“
„Es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit“, versicherte sie taktvoll.
Er verschwand in der Küche und kehrte kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem Steingutbecher, Milchkännchen und Kaffeekanne standen.
Ungeachtet ihrer Zweifel musste sie zugeben, dass sein Kaffee ausgezeichnet schmeckte. Ihr aufrichtiges Kompliment bewog ihn zu einem längeren Monolog über Bohnen, Röstverfahren und Mischungsverhältnisse. Ob alle Schriftsteller so
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