Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
bringen.«
Es konnte nicht später als acht Uhr morgens sein. Ohne Uhr konnten wir es nicht genau sagen, aber sobald wir auf den Flur hinaustraten, sahen wir die Sonne durch die großen Fenster der Klinik golden am Himmel hängen. Wir schienen die Einzigen zu sein, die durch das Glas nach draußen schauten. Die Frau, die uns durch die Flure führte, guckte nur starr geradeaus, und die anderen Krankenschwestern und Ärzte, die an uns vorübergingen, schienen alle wichtigere Dinge zu tun zu haben, als an den Klinikmauern vorbei in die Sonne zu blicken.
Schließlich blieb die Schwester vor einer unauffällig aussehenden Tür stehen. Sie zog einen Schlüsselbund aus ihrer Kitteltasche, wählte einen Schlüssel aus und steckte ihn ins Schloss.
»Willkommen im Flügel, Addie«, sagte sie.
Drinnen war es immer noch dunkel. In einer Ecke weiter hinten warf ein Nachtlicht einen dämmrigen Schein, aber nach der blendenden Helligkeit, die draußen auf den Fluren geherrscht hatte, reichte er nicht aus, um etwas erkennen zu können. Addie blinzelte und versuchte, unsere Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen.
Es war jedoch vergebene Mühe, da die Schwester einen Augenblick später das Licht anknipste. Jetzt konnten wir alles sehen.
Dieser Klinikflügel und das Studierzimmer glichen sich in vielerlei Hinsicht. Der Teppich war aus demselben festen Material gewoben, und die Wände waren in einem hellen Blau gestrichen, das nur an zwei Stellen durchbrochen wurde – einmal von einer grauen Tür und einmal von einer kleinen Nische, die zu zwei Waschräumen zu führen schien. Eine Pflanze mit großen Blättern stand in einer Ecke, offenbar im Begriff aus ihrem winzigen Topf zu bersten. Es gab zwei runde, mittelgroße Tische, ein paar Stühle, und ein kleines Wandschränkchen. Aber keine Kinder.
»Sie sind alle noch in ihren Zimmern«, sagte die Krankenschwester, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Sie zeigte auf die graue Tür. »Lass uns zu deinem gehen, einverstanden?«
Die Tür führte auf einen weiteren Flur, nur dass er schmaler und kürzer als alle anderen war, die wir bisher zu Gesicht bekommen hatten. Ein schwacher Schimmer erhellte sein anderes Ende, aber die Schwester machte ihm rasch den Garaus, indem sie die Deckenleuchten anknipste.
Mir gelang es, acht Türen zu zählen, bevor die Krankenschwester eine davon öffnete und uns hineinscheuchte.
»Kitty?«, sagte sie, als sie hinter uns trat und das Licht anmachte. »Wach auf und begrüße den neuen Morgen, Süße. Du bekommst endlich eine neue Zimmergenossin.«
Das Mädchen im Bett schoss so schnell hoch, dass es seine Decke dabei auf den Boden warf. Das Feenmädchen. Ihre langen dunklen Haare waren vom Schlaf zerzaust, wodurch sie im Vergleich zu ihrem Körper noch länger erschienen. Ihre Augen waren riesig, ihre Lippen leicht geöffnet.
»Das ist Addie«, sagte die Krankenschwester. Ihre Stimme war gnadenlos fröhlich, wie die einer Kindergärtnerin am ersten Tag nach den Ferien.
Kitty sah uns an, sagte aber nichts. Das lange Schweigen lastete schwer auf unsere Schultern. Endlich klatschte die Schwester in die Hände. »Also schön, Mädchen. Ich gehe die anderen Kinder aufwecken. Du ziehst dich an, Kitty, und erzählst Addie alles über unsere Morgenroutine.«
Kitty stieg aus dem Bett und warf uns einen verstohlenen Blick zu, als sie auf ihre Kleider zueilte. Sie warteten bereits zu einem kleinen blauen Stapel gefaltet auf dem Nachttisch auf sie. Die Krankenschwester schloss die Tür hinter sich, als sie ging.
Addie stand absolut regungslos da, unsere Hände vor dem Bauch verschränkt.
»Hallo«, sagte Kitty leise, doch während sie sich anzog, sagte sie nichts weiter.
Kaum war sie in ihre Kleider geschlüpft, ertönte vom Gang her auch schon eine Stimme: »Alle auf den Flur, bitte.«
Kitty eilte zur Tür. Addie sah sich ein letztes Mal im Zimmer um – weiße Wände, ein gekachelter Fußboden, Betten mit Metallrahmen und flache Kissen. Das einzige Fenster war offensichtlich nicht dazu gedacht, je geöffnet zu werden. Ich versuchte mir vorzustellen, hier zu schlafen. Hier aufzuwachen. Wie lange würde es dauern, sich an die kalten weißen Krankenhauslaken zu gewöhnen?
Nein, die Schwester irrte sich. Wir hatten noch nicht ausführlich mit unseren Eltern gesprochen. Dad hatte versprochen, uns holen zu kommen.
Das hier war nicht unser Zimmer.
»Kommst du, Addie?«, fragte Kitty, die in der Tür stand.
Eine Sekunde lang – den Bruchteil einer
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