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Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Titel: Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.M. Nightingale
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helfen, weigerte er sich. Sie war ein Auftrag und sie musste sich daran gewöhnen, dass sie kein Mensch mehr war. Hatte sie etwa erwartet, dass es leicht sein würde?
         Seth stieß ihn unsanft beiseite und hielt Kyra seine Hand entgegen.
         „Komm wieder mit rein“, sagte er.
         „Nein.“
         Er schnaubte.
         „Wir können nichts tun. Für dich ist es einfach mies gelaufen.“
         Kyra lachte auf.
         „Vor ein paar Stunden noch wolltest du mit mir etwas essen gehen. Schon vergessen? Da wusstest du noch nicht, was ich bin. Und jetzt sieh dich an. Für dich bin ich nichts, womit du dich auf eine Stufe stellen würdest. Auf deine geheuchelte Hilfe kann ich verzichten.“
         Sie wischte seine Hand unwirsch von sich. Dann stand sie auf und ging, ohne sich umzudrehen, davon.
     
         Etwa vierundzwanzig Stunden später fuhr ein Taxi in die Einfahrt eines sehr alten Klosters am Rande der Stadt Milwaukee und spritzte den feinen Sand am Boden in alle Himmelrichtungen. Es war bereits nach Mitternacht, doch keine Sterne funkelten am Himmel. Im Hof stand eine große und prunkvolle Kapelle. Eine hohe Mauer schloss das Kloster ringsherum ein und schütze so vor neugierigen Blicken. Der großzügige Garten hatte die Form eines Kreises, in dem Rosenbüsche wuchsen und sich dem bewölkten Himmel entgegenstreckten. Über dem großen Eingangstor war ein feines Siegel in den Putz gemeißelt. Es zeigte eine blühende Rose und einen schönen, eleganten Schwan.
         Joe stieg aus dem Wagen und das Taxi fuhr davon. Es hinterließ tiefe Reifenspuren in dem sonst so makellosen Sand im Hof. Joe fasste fahrig in seine Manteltasche und holte eine Schachtel Zigaretten hervor. Er hatte nicht mehr geraucht, seit er zu einem Vampir wurde, doch heute Nacht verlangte es ihn dringend danach. Er klopfte eine Zigarette aus der Schachtel, steckte sie in den Mund und entzündete sie mit einer einzigen Berührung seines linken Zeigefingers. Nach einigen Zügen hörten seine Nerven auf zu flattern und er beruhigte sich. Ihm graute vor dem, was ihn hinter den Mauern dieses Klosters erwartete. Er versuchte die Begegnung mit dem ältesten Vorsitzenden des Ordens noch ein wenig hinauszuzögern. Nach fünf Minuten zertrat er den qualmenden Stummel unter seiner Schuhsohle. Nervös sah er über die Schultern zu dem schmiedeeisernen Tor, durch das er gekommen war und schenkte der Freiheit dahinter einen sehnsüchtigen Blick. Dann seufzte er und machte sich auf den Weg zum Eingangstor, wo er dreimal laut gegen das Holz klopfte. Es dauerte, bis ihm jemand öffnete. Joe hatte das Gefühl, als würden sie ihn absichtlich warten lassen, nur um ihn zu ärgern. Schließlich gingen die Flügeltüren knarzend auf und noch bevor er über die Türschwelle trat, hielt ihm jemand ein Gewehr unter die Nase. Er hörte ein Klicken. Dann sah er die Frau, welche die Flinte in ihren schlanken Händen hielt.
         Sie hatte einen kaffeefarbenen Teint und mandelförmige, wachsame Augen. Ihr Körper steckte in engen schwarzen Lederhosen, hohen Stiefeln und einem Korsett mit weißer Bluse. Ihr Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
         „Lyla“, sagte Joe und nickte ihr höflich zum Gruß.
         Lyla nahm das Gewehr runter
         „Jonathan“, sagte sie herablassend. „Du kommst zu spät. Bill wartet bereits auf dich.“
         Joe ging an ihr vorbei, die Hände auf dem Rücken gekreuzt.
         „Immer noch das alte Biest“, murmelte er.
         „Das hab ich gehört!“, rief Lyla ihm hinterher, als er schon längst auf halbem Weg die Treppe hinauf war.
         Er bog um die Ecke und nahm die nächste Treppe in Angriff, immer weiter nach oben bis in den dritten Stock. Hier wurde es allmählich heller, die Lampen an den Decken brannten und warfen spärliches Licht auf eine eiserne Türe. Joe holte tief Luft und pochte dagegen. Sie öffnete sich wie von Geisterhand und gab dabei ein fürchterlich quietschendes Geräusch von sich, so dass sich seine Nackenhaare jäh sträubten. Langsam trat er ein.
         Er befand sich in einer großen Halle mit niedriger Decke und zinngrauen Granitsäulen, die das Gewölbe auf ihren Schultern trugen. Die Halle war sehr lang und durch die bunten Fenster fiel kaum Licht. An der Stirnseite stand ein großer Tisch, hinter dem ein Mann saß und mit einem Federkiel über ein Stück Papier schrieb. Er hob den Kopf und

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