Venus 02 - Auf der Venus verschollen
ich wußte, daß wir den Fluß irgendwann doch überqueren mußten und wahrschein lich keine so günstige Furt mehr finden würden.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, nach Spuren von Duare zu suchen, während wir weiter flußabwärts wanderten. Aber ich fand nichts; es war entmutigend. Ich hatte das Gefühl, als würde ich sie nie wiedersehen. Nalte versuchte mich zu trö sten, aber da sie Duare ebenfalls tot glaubte, gelang ihr das nicht besonders.
Am späten Nachmittag erlegte ich ein kleines Tier. Da wir den ganzen Tag nichts gegessen hatten, waren wir sehr hung rig, entzündeten ein Feuer und brieten uns die zarten Fleisch stücke.
Nach dem Essen errichtete ich eine Plattform zwischen den Ästen eines Baumes und sammelte große Blätter, die uns als Polster und Decke dienen sollten. Als die Nacht hereinbrach, zogen wir uns in unseren luftigen Unterschlupf zurück.
Eine Zeitlang schwiegen wir gedankenverloren. Ich verfluchte den Tag, an dem ich auf den Gedanken gekommen war, das Schiff zu bauen, das mich von der Erde zur Venus gebracht hat te. Im gleichen Augenblick wollte ich aber mein Abenteuer um nichts auf der Welt missen, weil es mich mit Duare zusammen gebracht hatte.
Schließlich brach Nalte das Schweigen. Es war, als hätte sie meine Gedanken gelesen, denn sie fragte: »Sie haben Duare sehr geliebt?«
»Ja«, erwiderte ich.
Nalte seufzte. »Es muß traurig sein, wenn man seine Ge liebte verliert.«
»Sie war nicht meine Geliebte.«
»Nicht Ihre Geliebte?« fragte Nalte überrascht. »Aber Sie haben sie doch geliebt?«
»Duare hat mich nicht geliebt«, erwiderte ich. »Jedenfalls hat sie das gesagt. Sie war die Tochter eines Jong und durfte sich erst verlieben, wenn sie zwanzig war.«
Nalte lachte. »Die Liebe kümmert sich nicht um solche Re geln«, sagte sie.
»Aber selbst wenn mich Duare geliebt hätte, was nicht der Fall war, hätte sie es mir nicht sagen können – eben weil sie eine Königstochter und noch so jung war. Ich verstehe das alles nicht, aber ich komme ja auch aus einer anderen Welt.«
»Ich bin neunzehn«, sagte Nalte, »und bin ebenfalls die Tochter eines Jong, aber wenn ich einen Mann liebte, würde ich das sagen.«
»Vielleicht herrschen in Ihrem Land andere Sitten als in Duares Heimat«, sagte ich.
»Dann müssen sie schon sehr verschieden sein«, sagte Nalte, »denn in meinem Land darf ein Mann mit einem Mädchen erst über Liebe sprechen, wenn sie ihm ihre Zuneigung gestanden hat; und die Tochter des Jong erwählt sich ihren Partner, wie und wann es ihr gefällt.«
»Dieser Brauch mag seine Vorteile haben«, sagte ich, »aber wenn ich in ein Mädchen verliebt wäre, würde ich es ihr gern selbst sagen.«
»Oh, die Männer finden schon Mittel und Wege, ein Mäd chen ohne Worte wissen zu lassen, was sie für sie empfinden. Ich wüßte sofort, wenn mich jemand liebt, aber wenn ich sehr in ihn verliebt wäre, würde ich nicht warten.«
»Und was ist, wenn er Sie nicht liebt?« fragte ich.
Selbstbewußt hob sie den Kopf. »Dann würde ich ihn dazu bringen, daß er mich liebt.«
Ich machte mir klar, daß es sehr schwer sein würde, sich in Nalte nicht zu verlieben. Sie war schlank und hatte eine oliv farbene Haut und herrlich schwarzes Haar. Ihre Augen waren wachsam. Ihr knabenhafter Körper hatte eine Würde, die ihre Abkunft verriet. Ich konnte nicht daran zweifeln, daß ich hier die Tochter eines Jong vor mir hatte.
Ich schien auf der Venus nur mit Königstöchtern zu tun zu haben.
»Wie viele haben Sie kennengelernt?« fragte sie, als ich ihr davon erzählte.
»Zwei«, erwiderte ich. »Sie und Duare.«
»Das sind nicht besonders viele, wenn man die große Zahl der Könige berücksichtigt, die es in Amtor gibt… Und dann erst die Zahl ihrer Töchter! Mein Vater hat allein sieben.«
»Sind sie alle so nett wie Sie?« fragte ich.
»Halten Sie mich für nett?«
»Das wissen Sie selbst am besten.«
»Aber ich höre es gern, wenn es mir jemand sagt. Es gefällt mir besonders, wenn Sie es sagen«, fügte sie leise hinzu.
Das Brüllen eines Raubtiers klang aus dem Wald zu uns her auf, gefolgt von dem Todesschrei eines anderen Lebewesens; dann kam die Stille der Nacht, die nur von dem Plätschern des Flusses unterbrochen wurde.
Ich dachte noch über eine taktvolle Antwort auf Naltes letz te Bemerkung nach, als mich der Schlaf übermannte.
*
Jemand rüttelte mich an der Schulter. Ich öffnete die Augen und sah Nalte über mich gebeugt. »Wollen Sie denn
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