Venus 02 - Auf der Venus verschollen
mehr Glück«, sagte Nalte.
Von der Strömung mitgerissen, trieben wir mit großer Geschwindigkeit dahin. Dabei hielt sich das Floß nicht nur in der Mitte des Flusses. Hin und wieder entdeckten wir kleine Buchten, in denen wir hätten landen können, aber wir sahen sie viel zu spät, um sie noch anzusteuern. Jedesmal wenn wir uns einer Biegung näherten, hielten wir erwartungsvoll Ausschau nach einer geeigneten Landestelle, wurden jedoch immer wieder enttäuscht. Dann endlich kamen zwei Städte in Sicht, die sich auf den beiden Flußufern gegenüberlagen. Schon aus dieser Entfernung wirkte die Stadt am linken Ufer grau und düster; die andere dagegen leuchtete sauber und bunt, ihre Häuser bestanden aus weißem Kalkstein und hatten bunte Dächer und Türme.
Nalte deutete auf die düstere Stadt. »Das muß Kormor sein«, sagte sie.
»Und die andere?«
Sie schüttelte den Kopf. »Skor hat nie von einer anderen Stadt gesprochen.«
»Vielleicht handelt es sich um eine große Stadt, die nur auf beiden Seiten des Flusses liegt.«
»Das glaube ich nicht. Skor hat mir erzählt, daß die Men schen, die in der Nähe von Kormor lebten, seine Feinde wären, aber von einer Stadt hat er nichts gesagt. Ich hatte angenom men, daß er irgendeinen Stamm von Wilden meint. Nun finden wir hier diese wunderbare Stadt… sie ist viel größer und schöner als Kormor.«
Natürlich konnten wir die beiden Städte nicht völlig überschauen, aber als wir langsam näherkamen, wurde es offensichtlich, daß sich die Stadt zu unserer Rechten mehrere Kilometer weit am Flußufer erstreckte, während Kormor vergleichsweise klein wirkte. Soweit wir feststellen konnten, waren beide Städte von Mauern eingeschlossen. Kormor hatte ein kurzes Kai vor einem Tor in der Mitte der Mauer, während sich das Kai der anderen Stadt in der Ferne verlor.
Eine Zeitlang hatte sich unser Floß in der Nähe des rechten Ufers gehalten und trieb jetzt dichter an Kormor heran. Auf dem Kai und auf der Mauer der weißen Stadt waren Menschen zu sehen, die über uns zu diskutieren schienen. Als wir uns jetzt dem Kai von Kormor näherten, legte ein kleines Boot ab und kam uns in der Flußmitte entgegen. Zwei Männer ruder ten, während ein dritter am Bug stand und zu uns herüber blickte. Offensichtlich wollte man uns aufhalten.
»Das sind Skors Leute«, sagte Nalte.
»Was wollen sie von uns?« fragte ich.
»Uns fangen natürlich. Aber das soll ihnen niemals gelingen.« Mit diesen Worten trat sie an den Rand des Floßes.
»Was soll das?« fragte ich.
»Ich will in den Fluß springen.«
»Aber Sie können doch gar nicht schwimmen! Sie werden ertrinken!«
»Das ist auch meine Absicht. Ich werde es nicht zulassen, daß mich Skor wieder gefangennimmt.«
»Warten Sie, Nalte«, sagte ich. »Sie haben uns noch nicht. Vielleicht schaffen sie es auch nicht.«
»O doch«, erwiderte sie hoffnungslos.
»Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, Nalte. Verspre chen Sie mir, daß Sie warten? Sie können Ihren Plan auch noch in der letzten Sekunde ausführen.«
»Gut«, erwiderte sie. »Aber wenn es nicht anders geht, sollten Sie meinem Beispiel folgen. Es ist besser, tot zu sein, als wieder in die Hände Skors zu fallen.«
Das Boot kam näher und ich rief die Fremden an: »Was wollt ihr von uns?«
»Ihr müßt mit uns an Land kommen«, sagte der Mann am Bug.
Ich konnte ihn jetzt gut erkennen. Nachdem ich ihn zuerst für einen von Skors Untoten gehalten hatte, stellte ich jetzt fest, daß seine Wangen gerötet waren und er zu den Lebenden ge zählt werden mußte.
»Wir kommen nicht mit«, sagte ich. »Laßt uns in Ruhe.«
»Ihr kommt mit an Land«, sagte der Mann bestimmt. Das Boot kam langsam näher.
»Wegbleiben, oder ich bringe euch um!« brüllte ich und legte einen Pfeil auf die Sehne meines Bogens.
Der Mann lachte – ein hohles und grausames Lachen. Im gleichen Augenblick sah ich seine Augen und ein kalter Schau der rann mir über den Rücken. Ich sah in die kalten Augen eines Toten!
Ohne zu zögern schoß ich einen Pfeil ab, der das Wesen in die Brust traf. Doch es lachte nur und ließ das Geschoß stecken.
»Wissen Sie nicht«, sagte Nalte, »daß Sie einen Toten nicht umbringen können?« Sie trat an das andere Ende des Floßes. »Leben Sie wohl, Carson«, sagte sie leise. »Die letzte Sekunde ist angebrochen.«
»Nein, nein, Nalte!« rief ich. »Warten Sie!«
Wieder wandte ich mich dem Boot zu, dessen Bug nur noch wenige Zentimeter entfernt war. Ehe
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