Wächter des Mahlstroms
ich zwei Jahre lang auf Rigel IV studiert habe? Frauen sind wohl doch komisch. Aber zu deiner Information – ich habe soeben die neunte Wurzel aus einer achtzehnstelligen Zahl gezogen, in Sekundenschnelle und bis zur letzten wichtigen Dezimalstelle, und ich weiß, daß das Ergebnis stimmt. Was sagst du dazu?«
»Großartig! Wir haben uns wirklich gegenseitig etwas gegeben. Aber wie wär's, wenn wir zusammen frühstückten?«
»Das wäre ein Gedanke – ein logischer und fürsorglicher Gedanke. Ich bin sofort bei dir.«
Als sie mit dem Essen fertig waren, eilte Vesta herein. »Na, seid ihr beiden Langschläfer endlich aus den Betten? Es ist ziemlich verwirrend, daß die Schiffszeit nie mit der Planetenzeit übereinstimmt. Aber ich bin hier zu Hause, in dieser Stadt, die ihr ›Vegaton‹ nennt. Nach der hiesigen Uhr bin ich gestern um die Mittagsstunde ins Bett gegangen und habe jetzt schon eine halbe Tagesarbeit hinter mir. Ich habe meine Familie besucht und die Hälfte der Bank meines Onkels gekauft und meinen Spielbankrevers unterschrieben. Jetzt sollte ich Sie beide etwas fragen. Zu Ihren Ehren wird es hier am Hafen eine ziemlich große Feier geben – doch anschließend möchte ich Sie beide und Helen und Joe und Bob und Barbara einladen, mich zu einer kleinen Tanzparty zu begleiten, die von einigen Freunden veranstaltet wird. Sie haben mich alle so gut behandelt, und dafür möchte ich ein bißchen angeben.«
»Vielen Dank – wir kommen gern, Vesta«, sagte Joan, die gleichzeitig Cloud die gedankliche Bitte übermittelte, ihr die Regelung dieser Sache zu überlassen. »Für die anderen gilt das sicher auch. Aber die Feier findet doch eigentlich zu Ihren Ehren statt, und da könnten wir stören ...«
»Aber nein!« Vesta wischte den Einwand mit einer zuckenden Bewegung ihres Schwanzes beiseite. »Sie sind meine Freunde. Und gute Freunde sind immer willkommen! Es wird eine kleine, ruhige Party, nur sechs- oder achthundert sind eingeladen ...« Sie zögerte einen Augenblick lang und fuhr fort: »Aber es könnte natürlich sein ... sobald sich herumspricht, daß wir da sind, könnten ein paar tausend Ungeladene auftauchen. Aber sie werden alle nett riechen, das wäre also QX.«
»Woher wissen Sie, wie die Leute riechen werden?« fragte Cloud.
»Na ja, sie riechen wie unsere Leute. Wenn nicht, würden sie gar nicht zu uns kommen
wollen
. Also QX?«
»Für uns beide schon – aber natürlich können wir nicht für die anderen zusagen.«
»Vielen Dank – ich frage sie gleich.«
»Joan, bist du denn völlig übergeschnappt?« fragte Cloud. »Eine kleine, ruhige Party – mit sechs- bis achthundert geladenen Gästen und vielleicht einigen tausend ungebetenen Besuchern – weshalb willst du dich denn in ein solches Gewühl stürzen?«
»Die Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen – die kommt so schnell nicht wieder.« Sie schwieg einen Augenblick lang und fügte rätselhaft hinzu: »Sturm, weißt du überhaupt, was Vesta von dir hält? Ich bin sicher, daß du sie noch nicht belauscht hast.«
»Nein, und ich habe auch nicht die Absicht.«
»Vielleicht solltest du's mal tun.« Joan kicherte leise vor sich hin. »Aber das steigert natürlich die Gefahr, daß du dir zuviel einbildest. Es ist schwierig zu beschreiben. Liebe ist es eigentlich nicht – und auch nicht Verehrung. Bewunderung ist es auch nicht, sondern eigentlich ein viel stärkeres Gefühl. Eine Mischung all dieser Elemente, dazu ein halbes Dutzend anderer Dinge, verbunden mit einem geradezu unglaublichen Stolz darauf, daß du ihr Freund bist. Dieses Empfinden ist typisch veganisch und einem Tellurier nicht bekannt. Aber nicht deswegen bin ich so begeistert. Es sind jetzt fast zwanzig Jahre her, daß Nicht-Veganer eine solche einmalig veganische Party besucht haben – höchstens als Außenseiter –, und eine veganische Party von außen ist eigentlich keine veganische Party. Wir jedoch, Sturm, wir werden voll mitmachen.«
»Bist du dessen sicher?«
»O ja. Ich weiß natürlich, daß Vesta es eigentlich nicht um uns geht, sondern allein um dich, aber das macht keinen Unterschied. Als Vestas Freund – dieses Wort hat in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Bedeutung – stehst du im Mittelpunkt des inneren Zirkels. Als deine Freunde gehören wir übrigens auch dazu. Vielleicht nicht zum inneren Zirkel, doch bestimmt zum äußeren Zirkel. Verstehst du, was ich meine?«
»Nur sehr vage. ›Der Freund eines Freundes eines Freundes eines
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