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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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andere Mädchen. Niki.« Rena drehte sich zu dem Mädchen mit den magenta gefärbten Haaren.
    Das Mädchen taxierte mich genauer als die Schwangere. Braune Augen musterten mich, klopften mich ab, prüften meine Kleidung. »Wer hat dich denn verprügelt?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ein paar Mädchen bei Mac. Es verschwindet schon wieder.«
    Niki lehnte sich in den nicht zur Einrichtung passenden Esszimmerstuhl zurück, die dünnen Arme hinter dem Kopf verschränkt. »Die schwarzen Girls können es gar nicht leiden, wenn weiße Mädels mit ihren Männern rummachen.« Sie legte den Kopf zurück, um einen Schluck aus der Bierflasche zu trinken, behielt mich dabei jedoch weiter im Auge. »Haben die dir auch den Haarschnitt verpasst?«
    »Was, bist du von Hawaii 5-0?«, sagte Rena. »Lass sie in Ruhe.« Sie stand auf und fischte eine neue Bierflasche aus dem lädierten Eisschrank, der mit Stickern von Rockbands vollgeklebt war. Ein Blick ins Innere zeigte wenig Verlockendes. Bier, Take-away-Verpackungen, ein paar Aufschnittreste. Rena hielt eine Bierflasche hoch. »Du willst eins?«
    Ich nahm es an. Jetzt war ich hier. Hier tranken wir Bier und rauchten schwarze Zigaretten. Ich fragte mich, was wir in der Ripple Street sonst noch alles machten.
    Rena suchte die Küchenschränke nach etwas ab, öffnete die angeschlagenen gelblichen Türen und schlug sie wieder zu. Es gab nichts bis auf ein paar verstaubte alte Kochtöpfe und einzelne Gläser und Teller. »Du essen Chips, die ich gekauft?«
    »Yvonne«, sagte Niki und trank ihr Bier.
    »Isst sich für zwei!«, sagte Rena.
    Niki und Rena fuhren im Van irgendwohin. Yvonne schlief, auf der Seite liegend, auf der Couch und lutschte am Daumen. Die weiße Katze hatte es sich an ihrem Rücken bequem gemacht. Auf dem Tisch lag eine leere Packung Doritos Chips. Der Fernseher lief immer noch, die Lokalnachrichten. Ein Hubschrauberabsturz auf der 10. Weinende Menschen, Reporter, die sie auf dem Randstreifen des Freeway interviewten. Blut und Verwirrung.
    Ich trat auf die Veranda hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen, die Erde roch feucht und grün. Zwei Mädchen in meinem Alter gingen mit ihren Kindern am Haus vorbei, ein Kind auf dem Dreirad, das andere in einem altmodischen rosa Kinderwagen. Sie starrten mich ausdruckslos unter ihren gezupften Augenbrauen an. Ein hellblauer Straßenkreuzer aus den Sechzigern, wahrscheinlich der ganze Stolz von irgendjemandem, ein Schmuckstück aus glänzendem Chrom und weißen Polstern, röhrte mit tiefem Motorengeräusch vorbei, und wir sahen ihm nach, wie er die Steigung der Ripple Street hochfuhr.
    Im Westen rissen die Wolken auf, und Sonnenstrahlen tauchten die fernen Hügel in goldenes Licht. Hier unten war die Straße schon dunkel. Es würde hier früh dunkel werden, denn der Hügel auf der anderen Seite des Freeway hielt das Licht ab, doch am oberen Ende der Straße und auf den Hügeln schien noch die Sonne und ließ die Kuppeln des Observatoriums glänzen, das auf dem Berggrat emporragte wie eine Kathedrale.
    Ich ging in Richtung des Sonnenlichts, vorbei an Gewerbebetrieben und kleinen Häusern, die Kinderbetreuung anboten. Zweistöckige Apartmenthäuser mit Holztreppen, Bananenstauden und Mais im Garten; die Großbäckerei Dolly Madison. Ein Elektrogeschäft. Ein Verleih für Filmrequisiten; Jacks Cadillacs, auf dem umzäunten Parkplatz stand ein historischer Planwagen. An der Ecke, wo der Fletcher Drive den Fluss überquert, eine Mazda-Reparaturwerkstatt.
    Von der Brücke öffnete sich der Blick auf den Fluss, der, ins letzte Sonnenlicht getaucht wie ein Geschenk, zwischen den eingedellten grauen Wolken entlangströmte. Der Fluss lief unter der Straße her in Richtung Long Beach. Ich stützte die Arme auf die feuchte Betonbrüstung und blickte nach Norden auf die Hügel und den Park. Das Wasser floss durch sein breites Betonbett, der Grund war bedeckt mit jahrzehntealten Schlammablagerungen, Felsen und Bäumen. Er kehrte in seinen ursprünglichen wilden Zustand zurück, trotz des betonierten, massiven Ufers. Ein geheimnisvoller Fluss. Ein großer weißer Vogel fischte, auf einem Bein stehend, zwischen den Felsen, wie auf einem japanischen Holzschnitt. Fünfzig Ansichten des Los Angeles River.
    Eine Hupe erklang, und aus einem Autofenster rief ein Mann: »Hey, Süße! Zeig mir mehr von deinem Knackarsch!« Doch es war halb so wild, auf der Brücke konnte sowieso niemand anhalten. Ich fragte mich, ob Claire irgendwo hier war, ob sie

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