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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Liegestütz in die Hände, um anzugeben. Diese breiten Schultern, die schmalen Hüften. Wenn Sergej im Zimmer war, wusste ich nie, wohin mit meinen Händen oder meinem Mund.
    Ich schaute zu Yvonne auf der anderen Seite des Tisches hin, die über einen Stapel Täschchen und Lederstücke gebeugt nähte, geduldig wie ein Mädchen aus dem Märchenbuch. Jedes andere Mädchen in ihrem Alter würde jetzt Rüschen auf sein Abschlussballkleid nähen oder Babyschuhe stricken. Nun bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich vorher über sie lustig gemacht hatte. »Klar gehe ich mit dir zur Geburtsvorbereitung«, sagte ich. »Wenn du meinst, dass ich da irgendwie helfen kann.«
    Sie lächelte auf ihre Näherei herunter und senkte dabei den Kopf. Sie zeigte nicht gern ihre schlechten Zähne. »Ist ganz einfach für dich. Die ganze Arbeit mache ich. Du brauchst bloß das Handtuch halten.«
    »Jede Menge Pusten und Blasen«, sagte Niki. »Wie ein Haufen Strandbälle, bei denen die Luft rausgeht. Eine echte Lachnummer! Du wirst schon sehen!« Niki brach sich ein weiteres Stück Haschisch ab und steckte es auf die Stecknadel. Sie zündete es an und sah zu, wie der Rauch im Glas emporstieg wie ein Flaschengeist. Während sie einen Zug nahm, bekam sie einen noch schlimmeren Hustenanfall als ich vorher.
    »Nichts für mich?«, fragte Sergej und deutete auf das Whiskeyglas.
    »Ach, fick dich ins Knie, Sergej«, sagte Niki. »Hast du überhaupt schon mal welches für uns gekauft?«
    Aber sie legte ihm trotzdem ein Stückchen beiseite, und ich versuchte seinem Blick auszuweichen, als er sich vorbeugte, um seine Lippen dorthin zu legen, wo vorher meine gewesen waren. Doch ich fühlte mein Gesicht bis hinauf zum Haaransatz brennen.
    Wir aßen alle, bis auf Rena, die rauchte und Wodka trank. Kaum hatte sie das Zimmer für einen Moment verlassen, beugte sich Sergej über den Tisch, die breiten weißen Hände vor dem Körper gefaltet. »Also, wann wir machen Liebe, dewuschka ?«
    »Du Drecksack«, sagte Niki und zeigte mit ihrer Gabel auf ihn. »Das sollte ich Rena mal erzählen!«
    »Außerdem hat Astrid sowieso einen Freund«, sagte Yvonne. »Ein Künstler. Er lebt in New York.«
    Ich hatte ihr alles über Paul Trout erzählt. Ich hatte schließlich doch seine Briefe im Yellow Brick Road in Hollywood abgeholt, auf derselben Straße, auf der ich einmal das Messer vor dem Mädchen gezogen hatte, das mich für Wendy gehalten hatte. Niki hatte mich nach der Schule vorbeigefahren, auf dem Weg zu einem Treffen mit ein paar Typen, die eine Sängerin suchten. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm nicht eher geschrieben hatte; ich hatte oft daran gedacht, doch ich hatte Angst. Womöglich wollte er gar nichts mehr von der Vergangenheit wissen. Auf der Fahrt nach Hollywood betrachtete ich nervös den Umschlag, auf den ich »Für Paul Trout aufbewahren« geschrieben hatte. Hoffnung inbegriffen. Es war ein Fehler zu hoffen. Ich dachte an ein Lied, das Rena immer spielte und das ich auf den Tod nicht ausstehen konnte: »Love the One You’re With«, Liebe den, bei dem du gerade bist. Das war die Melodie, die das Leben mir ständig aufzuzwingen schien, und trotzdem saß ich da und hielt die Hoffnung in der Hand wie einen flatternden Vogel.
    Der Comic-Buchladen war winzig, sogar noch vollgepfropfter als Renas Haus. Überall Comic-Hefte. Niki und ich stöberten in den Stapeln herum. Manche der Comics waren komisch, wie »Zippy the Pinhead« oder der alte »Mr. Natural«. Andere waren düster und expressionistisch, Sam Spade trifft Murnau. Es gab Regale mit selbst gemachten Heftchen voller schlechter Poesie. Comics auf japanisch, viele davon pornographisch. Ironische Geschichten von Karrierefrauen und Supermodels, im Stil von Lichtensteins Pop-art gezeichnet. Ein jüdisches Nagetier, das paranoide Albträume über Schwarzhemden hatte. Sie verkauften alles von den üblichen Disney-Comics bis hin zu lokalen handgezeichneten, fotokopierten und zusammengehefteten Magazinen. Während Niki die Geschichte einer Gangsterbraut las, ging ich an die Kasse und redete mir ein, dass dort sowieso nichts für mich sein würde.
    Ein dünner Typ in einem weinroten Bowlinghemd kritzelte auf dem Ladentisch herum, seine bleichen Arme waren mit Tätowierungen übersät. Ich räusperte mich, bis er aufblickte. Seine Augen waren vom Dope verschleiert. »Ich bin eine Freundin von Paul Trout. Hat er irgendwas für mich dagelassen?«
    Er lächelte etwas schüchtern und

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